Kobayashi, Granerud – und sonst?

Skispringer starten in eine Saison voller Höhepunkt

Früher war mehr Lametta! Der Klassiker von Loriots Opa Hoppenstedt wird gern zitiert, wenn man auf die so genannte gute alte Zeit blickt. Was die altersweise Gestalt, die einst der Fantasie des großen Komikers entsprang, in Bezug auf das Skispringen zur neuen Weltcup-Saison gemurmelt hätte, werden wir nie erfahren, an einem Mangel an „Lametta“, sprich Höhepunkten, darbt der Winter 2021/22 aber nicht. Denn auf die Könige der Lüfte warten mit dem Gesamtweltcup, der Vierschanzentournee, den Skiflug-Weltmeisterschaft und als absolutem Kick den Olympischen Spielen jede Menge Highlights.

Wer aber kann sich das größte Stück abschneiden vom Riesenkuchen? Sind es die üblichen Verdächtigen? Lauern neue Stars? Feiern Helden der Vergangenheit ein Comeback? Erste Antworten wird der Weltcupauftakt bringen, der in diesem Jahr nicht wie zuletzt schon fast traditionell im polnischen Wisla steigt, sondern in Nischni Tagil, einer Stadt im Ural, nördlich von Jekaterinburg. Gleich zwei Einzelwettbewerbe stehen auf dem Programm, auch das unterscheidet diese Olympische von vorhergehenden Weltcup-Serien.

Und sonst? Die Schar der Favoriten ist wie immer groß, zwei Springer aber haben sich im Sommer als die großen Anwärter auf vordere Plätze herausgeschält. Da wäre Gesamtweltcup-Titelverteidiger Halvor Egner Granerud. Der 25jährige gewann im letzten Winter trotz Corona-Pause souverän die Gesamtwertung, trumpfte bei der Skiflug-WM in Planica auf, schwächelte allerdings bei der Vierschanzentournee, wenn man Rang 4 im Gesamtklassement als „Schwäche“ bezeichnen darf und musste bei der WM in Oberstdorf pandemiebedingt bei den entscheidenden Wettkämpfen zuschauen. Gut möglich, dass Granerud die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup nicht so wichtig ist, er seinen Focus auf Olympia und Tournee richtet. Und natürlich auf die Skiflug-WM, denn die findet im März in Vikersund statt, ein Heimspiel für den Mann aus Oslo also. Überflieger Nummer zwei kommt aus Fernost. Der Japaner ist mit 25 Lenzen ebenso jung wie sein vermeintlich größter Widerpart aus Norwegen, steht vor Saisonbeginn bei 19 Weltcup-Siegen und darf sich im Gegensatz zu Granerud auch Vierschanzentourneesieger nennen, auch der Gesamtweltcup flog schon in seine Arme, beides gelang in der Saison 2018/19. Was folgte, war ein Leistungsloch, doch aus dem ist Kobayashi wieder herausgeflattert, was nicht zuletzt brillante Auftritte beim Sommer Grand Prix eindrucksvoll unterstrichen.

Stachen die beiden Überflieger aus der Schar der Favoriten zuletzt etwas heraus, muss man trotzdem konstatieren, dass das Feld der Kandidaten für Podestplätze riesengroß ist. Stefan Kraft, Kamil Stoch, Dawid Kubacki, der nach seinem Horrorsturz wieder völlig genesene Norweger Daniel-Andre Tande oder Teamkollege Robert Johansson oder die Schar der Slowenen wären da zu nennen und in Nischni Tagil dürfte eventuell auch der eine oder andere Russe vorn mit dabei sein, Jewgeni Klimow beispielsweise, der vor Jahr und Tag in Wisla mal einen Saisonauftakt gewinnen konnte.

Zweiter wurde damals ein gewisser Stephan Leyhe. Womit wir bei den DSV-Adlern wären. Die wollen natürlich angreifen, haben mit Markus Eisenbichler und vor allem Karl Geiger zwei heiße Eisen im Feuer. Deutschland hat sechs Adler nach Russland geschickt, neben den Genannten sind auch Pius Paschke und Konstantin Schmid im Kader und zwei Jungs, die in den Überlegungen von Bundestrainer Stefan Horngacher im letzten Winter keine Rolle spielten: Olympiasieger Andreas Wellinger und eben Stephan Leyhe. Letztgenannter kehrt im Sommer nach einem Kreuzbandriss mit Bravour ins Team zurück, Wellinger benötigte länger, um seine Verletzung – ebenfalls ein Kreuzbandriss – komplett auszukurieren und sich wieder in Weltcupform zu bringen. Das Comeback der Adler führte dazu, dass andere Athleten nicht auf den Weltcupzug aufspringen konnten. Severin Freund beispielsweise, Martin Hamann oder auch Richard Freitag. Für das Trio wird es verdammt schwer, einen der genannten Saisonhöhepunkte noch live zu erleben – mal abgesehen von den ersten beiden Tourneespringen, denn da haben die Deutschen dank einer nationalen Gruppe mehr Startplätze. Für das in Russland startende Sextett dagegen gilt. Alles ist möglich! Besonders erstrebenswert wäre allerdings aus DSV-Sicht neben Medaillen bei den Olympischen Spielen der Sieg bei der Vierschanzentournee. Der letzte liegt nämlich schon wieder 20 Jahre zurück, Sven Hannawald gewann 2001/2002 und schaffte mit vier Einzelerfolgen als erste Springer überhaupt den Grand-Slam bei der Tournee.  

Foto: K.Voigt Fotografie

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