Der (fast) unbekannte Champion

Ski jumping ace Ryoyu Kobayashi is a star in Europe, but not so much at home

Man könnte – durch die europäische Brille betrachtet – vermuten, Ryoyu Kobayashi sei in seiner Heimat ein bekannter Mann. Das stimmt prinzipiell ja auch, ist aber mit der Popularität eines Kamil Stoch, Andreas Goldberger, Sven Hannawald oder Simon Ammann trotzdem nicht vergleichbar. Ein Star – so wie das Quartett aus Polen, Österreich, Deutschland und der Schweiz – ist Kobayashi jedenfalls nicht und das hat einen Grund: Er ist Japaner.

Top-Skispringer aus Japan gab und gibt es viele, ob Yukio Kasaya, der 1972 Olympiasieger wurde, ob Hirokazu Yagi, der acht Jahre später Silber gewann, ob das Nagano-Erfolgsduo Kazuyoshi Funaki und Masahiko Harada oder gar der schier unverwüstliche Oldie Noriaki Kasai, der schon 1992 Skiflugweltmeister wurde, 30 Jahre später immer noch nicht genug von seinem Sport hat und nach verpasster Qualifikation für Peking als 50jähriger jetzt ankündigte, sich auf die Olympischen Spiele in Mailand 2026 vorbereiten zu wollen. Überflieger haben sie also schon immer herausgebracht im Land der aufgehenden Sonne. Tolle Athletinnen übrigens auch, Schanzenfloh Sara Takanashi ist da sicher die bekannteste.

Zurück zu Ryoyu Kobayashi: Der 25jährige, den sein Vater, selbst Sportlehrer, zum Skispringen brachte, wäre hierzulande sicherlich ein Star – erfolgreich, gutaussehend, ein lockerer Typ, außerdem zuhause auf allen Social-Media-Kanälen. In seiner Heimat aber, da fliegt der Mann aus Hachimantai in der Öffentlichkeit eher unter dem Radar. Natürlich werden seine Erfolge registriert, natürlich gibt es ein paar TV-Auftritte, Einladungen Talk-Shows oder Raterunden. Aber leider ist Skispringen in Japan der falsche Sport für die ganz große Popularität. Dazu müsste Kobayashi Sumo-Ringer sein oder Baseballer. Wintersport wurde im Land durch die Spiele 1972 in Sapporo bekannter, allerdings ist Eiskunstlaufen deutliche beliebter als Skispringen.

Wirtschaftlich muss sich Ryoyu Kobayashi dagegen keine Sorgen machen. Denn wie die meisten japanischer Springer, ist auch er Mitglied einer Mannschaft, die einer Firma gehört, in Kobayashis Fall einem großen Bau- und Immobilienunternehmen. Das Unternehmen leistet sich nicht nur Top-Springer, neben dem zweifachen Tourneesieger steht beim Tsuchiya Home Ski Team auch sein Bruder Junshiro, Altmeister Kasai oder Yuki Ito unter Vertrag. Man gönnt sich auch Richard Schallert als Trainer. Den Österreicher und Auswahlcoach Hideharu Miyahira benennt Kobayashi als wichtigste Bezugspersonen, natürlich neben Bruder Junshiro, mit dem der Überflieger bei den langen Tourneen durch Europa das Zimmer teilt und den er als Ruhepool bezeichnet, wenn der Rummel um seine Person auf dem alten Kontinent mal wieder riesengroß ist. Obwohl Kobayashi Rummel eigentlich mag. Als er in Europa in den Focus der Öffentlichkeit rückte, das war bei seinem ersten Tourneesieg, damals glückte der Grand-Slam, also Erfolge auf allen vier Schanzen, da bezeichnete er sich selbst mal als Neo-Japaner. Weil er extrovertiert jubelt, schnelle Autos liebt und moderne Musik. Die sprichwörtliche traditionelle Zurückhaltung ist dagegen eher nicht so Kobayashis Ding. Vielleicht geht man auch deshalb in Japan eher zurückhaltend mit ihm um.

Man darf gespannt sein, wie er bei den Olympischen Spielen performen wird. Denn selbst Gold in China wäre nur ein weiteres Steinchen im inzwischen recht großen Mosaik seiner Erfolge. Aber der Olympiasieg hätte einen anderen Effekt – man würde Ryoyu Kobayashi dann sicherlich auch in der Heimat größere Aufmerksamkeit widmen.

Foto: K.Voigt Fotografie

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