Olympia fängt in Antholz an
Franziska Hildenbrand hat in ihrer langjährigen Laufbahn und Karriere schon einiges erlebt. Doch die 34-jährige durchlebt in diesen Tagen ein Wechselbad der Gefühle, speziell jetzt auch hier in den Tagen von Antholz, wie wohl selten zuvor. Erst ließ sie im Weltcup mit ansprechenden Leistungen aufhorchen und erhoffte noch die Nominierung zu den olympischen Winterspielen in Peking, doch im Laufe der Woche am Weltcup Ort Antholz erfuhr sie, dass sie nicht mehr auf den Olympiazug aufgesprungen ist – keine Nominierung für sie. Eigentlich ein Grund den Knopf hängen zu lassen, doch nicht so in diesem Winter. Denn gerade, weil die olympischen Winterspiele unmittelbar bevorstehen, wird das Weltcup-Wochenende von Antholz mehr als nur eine Ersatzveranstaltung für die NICHT-PEKING-FAHRER für alle Nationen. Es ist -Nominierung hin-Nominierung her, immer noch eine Chance sich zu zeigen und zu präsentieren und das hat einen Grund: CORONA.
War es heute Julian Eberhard vom ÖSV der Olympia in Antholz eine Absage erteilte, aus persönlichen Gründen, weil ihm die Reise, der Aufenthalt und das ganze Drumherum zu unsicher sei und er an seine Gesundheit denke. So wie er denken mittlerweile einige viele mehr, trauen sich aber nicht eine Entscheidung gegen Olympia zu fällen.
Als am Mittwoch vom DSV das Olympia-Team bekanntgegeben wurde fehlte der Name von Franziska Hildenbrand. Aber es wurden bislang erst fünf DSV- Läuferinnen berücksichtigt. Und die Entwicklungen rund um die Pandemie und deren Auswirkungen für den Sport bedeuten: Im Falle eines Falles müsste nachnominiert werden, und da hält man sich ein Hintertürchen offen: Siehe bei der Handball EM. Natürlich wünscht niemand einem Teamkollegen eine Verletzung oder Krankheit, doch in dieser schwierigen Zeit und Ausnahmesituation muss man sich fit halten, auch wenn der Zug ins Reich der Mitte bereits abgefahren zu seinen scheint.
Franziska Hildenbrand und auch einige weitere Athleten verschiedener Nationen werden in Antholz angreifen, als ginge es noch tatsächlich noch um die Qualifikation für Peking. Das erinnert an vor vier Jahren, ebenfalls in Antholz, als es für keinen geringeren als den König des Biathlons, Ole Einar Bjoerndalen um die Quali für die Spiele in PyeongChang 2018 ging. Es war seine letzte Chance sich für Olympia zu qualifizieren, aber vergeblich. Stattdessen wurde der junge Erlend Bjoentegaard nominiert, dem in diesem Winter gleiches widerfuhr, er kämpfte um ein Olympia- Ticket, doch sein junger Teamkollege Sivert Bakken wurde ins Norwegische Olympia-Team berufen.
Für manche Athleten bedeutet Antholz aber noch eine Mini-Chance für Olympia. Reicht es dann doch nicht für die Reise nach Peking, so würden die Reisestrapazen und Distanzen geringer – aber nicht reizlos. Denn Ende des Monats finden im Bayerischen Wald am Arber die Europameisterschaften statt und dies darf man also als Trostpflaster bezeichnen für all diejenigen, die es nicht nach Peking geschafft haben. In jedem Falle dient Antholz erst einmal der Wettkampfvorbereitung. Die Anlage in Antholz liegt auf ca. 1600 Meter ähnlich wie in Peking, die EM-Arena am Arber allerdings ca. 500 Meter weiter unten. Andere Nationen wie Norwegen beispielsweise gingen vor nicht langer Zeit bewusst in die Höhe auf den Passo di Lavaze um dort zu trainieren. Sie verzichteten dafür sogar auf den Start beim Weltcup in Ruhpolding. Trainingssteuerung nennt man das.
Beim DSV hat man sich lange überlegt, wie der Weltcupkalender und die Trainingstage geplant werden und sich dann für einen Start in Ruhpolding und Antholz entschieden. Allerdings wird von Athlet*in zu Athlet*in unterschieden welche Rennen genau bestritten werden. Dann fahren die Athlet*innen direkt von Italien nach Frankfurt und fliegen weiter nach Peking, um keine Ansteckung zu riskieren. Andere planen einen Kurztrip nach Hause wie zum Beispiel die Franzosen, was von der Verbandsführung allerdings mit gemischten Gefühlen angesehen wird, da man Kontakte innerhalb der Familie oder mit Bekannten und Freunden vermeiden wollte. Und wieder andere Nationen sowie zum Beispielsweise Italien müssen das volle Programm fahren. Denn würden Wierer, Vittozzi und Co.in Antholz nicht am Start gehen, wäre sicherlich Ärger vorprogrammiert. Die Vorbereitung auf Olympia ist dieses Mal also vollkommen dominiert vom Corona-Virus. Während man sich in der Vergangenheit auf die Olympischen Spiele gefreut hatte, so sehen viele Sportler*innen, Offizielle und selbst auch Funktionäre diesen Spielen mit gemischten Gefühlen entgegen, denn die Angst und Ungewissheit was einen in Peking erwarten könnte sitzt bei vielen im Hinterkopf. Ob Franziska Hildenbrand im Flieger nach Peking sitzen wird, eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist, dass sie von Südtirol nicht mit dem Auto nach Frankfurt fährt, sondern in Richtung Bayerischen Wald mit vielen anderen zu EM reisen wird.
Foto: K.Voigt Fotografie