„König Kamil“ im Zenit seines Könnens

Polens Überflieger Kamil Stoch katapultiert sich in die Reihe der Skisprung-Legenden

Spätestens seit dem Dreikönigstag 2021, als Kamil Stoch in Bischofshofen mit zwei wunderbaren Sätzen zum Tagessieg bei der Vierschanzentournee den Gesamtsieg nicht nur sicherte, sondern die Konkurrenz regelrecht deklassierte, machte der inzwischen 33 Jahre alte Pole einen Sprung, der mit seinen täglichen Leibesübungen auf den Schanzen nur indirekt zu tun hat – Stoch sprang hinein in den exklusiven Kreis der Skisprung-Legenden. Denn sein Name kann und muss nun in einem Atemzug genannt werden mit den ganz Großen seiner Sportart, mit Birger Ruud, Helmut Recknagel, Björn Wirkola, Jens Weißflog, Matti Nykänen oder Janne Ahonen. Denn Stoch wurde zum dritten Mal Tourneesieger und mit Ausnahme des Norwegers Ruud – der in einer Zeit sprang, in der es die Vierschanzentournee noch nicht gab – zählen die anderen Helden zur ganz kleinen Schar derjenigen, die in ihrer aktiven Zeit das Geschehen auf den Schanzen dieser Welt dominierten. Zugegebenermaßen auf die eine oder andere Art und Weise – Nykänen beispielsweise gewann die Tournee „nur“ zwei Mal, Ahonen dagegen schaffte es als Rekordsieger gleich 5x, sich in die Siegerlisten einzuschreiben. Weißflog schaffte seine Gesamtsiege in zwei Stilarten, Wirkola siegte drei Mal hintereinander, Recknagel war der erste Mitteleuropäer, der die zu dieser Zeit führenden Skandinavier in die Schranken weisen konnte. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen mit Weltmeistertiteln und Olympiasiegen, Erfolgen auf Skiflugschanzen oder bei besonderen Wettbewerben, dem Holmenkollen-Springen beispielsweise oder den Salpaussaelen-Skispielen in Lahti.

Wenn man ehrlich ist, hätte man Kamil Stoch schon vor seinem sensationellen dritten Tournee-Erfolg in die Reihe der ganz Großen stellen können. Der Mann aus Zakopane ist mehrfacher Olympiasieger, mehrfacher Weltmeister, schaffte als zweiter Mensch nach Sven Hannawald den Tournee-Grand-Slam, siegte also auf allen vier Schanzen, holte in Bischofshofen seinen 38. Weltcup-Einzelsieg. Aber vielleicht ist es auch das „Wie“, das seinen Tournee-Erfolg 2020/21 so einzigartig macht und ihn heraushebt, aus der zugegebenermaßen großen Schar hervorragender Skispringer. Denn kurz vor dem Auftakt in Oberstdorf war gar nicht klar, dass Polens Mannschaft auf der Schattenbergschanze springen würde, ein positiver Corona-Test in der Mannschaft hatte die rot-weißen Adler außer Gefecht gesetzt, es drohte die Quarantäne und damit das vorzeitige Ende aller Tournee-Hoffnungen. Erst nach massiven Protesten, mehreren neuen Tests und nächtlichen Beratungen wurde das polnische Team wieder zugelassen, da war die Qualifikation schon Geschichte, den ersten Durchgang in Oberstdorf gab es deshalb nicht im k.o.-System, sondern mit 62 Springern, darunter eben auch jenen aus Zakopane, Wisla und den anderen Skisprungzentren unseres östlichen Nachbarlandes. Und schon hier zeigte Kamil Stoch seine außergewöhnliche Nervenstärke, wurde Zweiter hinter Auftaktsieger Karl Geiger. Beim Neujahrsspringen in Partenkirchen ging der vierte Platz des Routiniers fast unter, denn Stoch war nur drittbester polnischer Springer, vor ihm rangierten Pjotr Zyla und Vorjahres-Tournee-und-Neujahrs-Springen-Sieger Dawid Kubacki. Aber spätestens am Bergisel, als die Konkurrenz reihenweise Nerven zeigte, da war Kamil in seinem Element, zeigte seine ganze Klasse, gewann und sicherte sich damit den vorentscheidenden Vorsprung in Sachen Gesamttournee. Und mit welcher Souveränität er zum Abschluss im Salzburger Land dann noch einmal allen anderen davonsegelte – das machte Stoch zu einem der ganz Großen seiner Zunft.

Bleiben noch einige wenige offene Fragen: Schafft es „König Kamil“ noch ein viertes Mal, die Tournee zu gewinnen. Denn bis zu den Olympischen Spielen will der Familienvater, der von seiner Frau gemanagt wird, definitiv noch weiterspringen. Und im Olympiajahr gibt es auch noch eine Skiflug-WM – dieser Titel fehlt Stoch noch. Man darf also gespannt sein, welche weiteren Höhepunkte die außergewöhnliche Laufbahn des Überfliegers aus Polen noch bereithält.

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