Erste(r) Geige(r) im ersten Weltcup-Trimester

Bei der Vierschanzentournee werden die Karten neu gemischt

Früher war er „Kleinschanzen-Karle“. Früher, das war vor der letzten Saison. Dann wurde aus dem Allgäuer ein Flieger. Weil Karl Geiger erst die Skiflug-WM gewann und anschließend bei der Heim-WM in Oberstdorf mit seinen Titeln und Medaillen die deutsche Gesamtbilanz entscheidend aufhübschte. Es folgten zahlreiche Ehrungen, die Fachpresse würdigte ihn beispielsweise als „Skikönig“ der Saison und bei der Ehrung zum Sportler des Jahres belegte der Wintersportler Rang drei – in einem Jahr mit Olympischen Sommerspielen so etwas wie ein Ritterschlag. Wobei – so neu ist die Ehrung für den 28-jährigen nicht, 2019 gewann Geiger mit dem Team.

Dazu muss man wissen, dass die Abstimmung stets zu einer Zeit stattfindet, in der die neue Saison noch nicht begonnen hat. Und wahrscheinlich wäre nach dem ersten Drittel des aktuellen Ski-Winters die Bilanz noch besser, denn vor dem ersten großen Höhepunkt, der Vierschanzentournee, führt Geiger den Gesamtweltcup an, landete schon 2x ganz oben auf dem Treppchen und gilt als Muster an Beständigkeit. Einzige Ausnahme bisher war der zweite Auftritt in Klingenthal am 3. Advent, als die gesamte deutsche Mannschaft (und nicht nur die) auf einer gefrierenden Anlaufspur Probleme mit dem Material hatte und nicht auf die notwendige Absprunggeschwindigkeit gekommen war. Für Rang 22 gab es mickrige 9 Weltcuppunkte, aber vielleicht sind die noch mal Gold wert, wer weiß das zu diesem Saisonzeitpunkt schon.

Fakt ist: Geiger startet im Gelben Trikot des Weltcupführenden beim ersten Springen in Oberstdorf. Für den Allgäuer wieder ein Heimspiel und gute Erinnerungen werden da sicherlich wach, denn im Vorjahr siegte der Karl beim Auftaktspringen, am Ende wurde es in der Gesamtwertung Platz 2.

Womit wir beim Orakeln wären. Denn wie immer vor der ersten Entscheidung auf der Schattenbergschanze sind Medien, Fans und natürlich die Athleten selbst auf der Suche nach den Favoriten. Und davon gibt es einige: Geiger zählt dazu, aber auch seine Verfolger im Gesamtweltcup, Ryoyu Kobayashi aus Japan und Halvor Egner Granerud aus Norwegen. Der reiste übrigens im letzten Winter im gelben Trikot an und war am Ende mit Blick auf die Gesamtwertung chancenlos. Womit wir bei weiteren Anwärtern auf den Gesamtsieg wären. An Kamil Stoch führt in dieser Aufzählung dabei kein Weg vorbei, der routinierte Pole ist immer dann am besten, wenn er den Hauch einer Chance auch nur wittert. Seinen Landsmann Dawid Kubacki muss man an dieser Stelle gleich mit nennen, obwohl der 31jährige in diesem Winter noch auf der Suche nach seiner Form ist. Stefan Kraft aus Österreich oder einer der Jüngeren aus dem Rot-Weiß-Roten Adlerhorst kommen ebenso in Frage, wie die Jungs aus Norwegen, die hinter Granerud wieder in die Weltspitze hineingesprungen sind. Da wäre Daniel Andre Tande. Bei dem ist man schon froh, dass er nach seinem Horrorsturz vom März in Planica überhaupt wieder springt. Aber wer Tande kennt, der weiß – nur mithüpfen ist ihm zu wenig. Und wer gesehen hat, wie die Spannung im Gesicht des Norwegers nach seinem Wettkampf in Klingenthal, den er auf Rang 2 beendet hatte, in pure Erleichterung umschlug, der weiß trotz der folgenden Rückschläge in Engelberg: Tande ist wieder bereit. Gleiches gilt wohl in noch stärkerem Maße für Marius Lindvik. Das dritte Eisen im Feuer ist vielleicht das heißeste, das die Norweger derzeit schmieden. Denn Lindvik springt beständig, ist in der Gesamtwertung des Weltcups derzeit Sechster und lies in diesem Winter bisher nur beim ersten Auftritt in Ruka aus. Zudem zeigte seine Formkurve zuletzt beständig nach oben. Und was noch für den erst 23-jährigen Norweger spricht. Vor zwei Jahren war Marius Lindvik schon einmal ganz nah dran am Tourneesieg, wurde am Ende hinter Dawid Kubacki Zweiter, gewann die Partien in Partenkirchen und Innsbruck. Und er kommt nicht aus der Position des Topfavoriten. Karl Geiger wird ihn auf dem Schirm haben.

 

Foto: K.Voigt Fotografie

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