Wenn es mal läuft…

Marius Lindvik: Olympiasieger und Skiflug-Weltmeister

Es gibt nicht wenige Experten, die behaupten, Skispringen werden in erster Linie im Kopf entschieden. Marius Lindvik scheint ein Paradebeispiel für die Richtigkeit dieser steilen These zu sein. Der Norweger lief lange großen Erfolgen hinterher, scheiterte immer wieder an Kleinigkeiten oder Dingen, die er selbst nicht beeinflussen konnte.

Doch das große Talent aus dem Mutterland des Skispringens lieferte in diesem Winter bei den Saisonhöhepunkten. In Peking siegt der 23jährige auf der Großschanze und keinen Monat später schaffte er in der Heimat noch einen großen Coup. Lindvik wurde in Vikersund Skiflug-Weltmeister. Und wenn man ehrlich ist, muss man konstatieren – wirklich gerechnet mit diesem Erfolg hatten die Wenigsten. Denn bei den Skandinaviern galten andere als begnadete Flieger. Robert Johannson beispielsweise, der Mann mit dem Schnauzer. Auf den hatte sogar Auswahltrainer Alexander Stöckl gesondert hingewiesen. Oder Daniel Andre Tande. Jener Tande, der vor Jahresfrist beim Fliegen in Planica so schwer gestürzt war und der mit seinem Sieg am Holmenkollen in Oslo, also vor den Toren seiner Heimatstadt, ein großartiges nacholympisches Comeback gefeiert hatte. Oder Halvor Egnar Granerud – WM-Zweiter 2020 in Planica und ein Mann, der die leisesten Aufwinde förmlich erschnuppert. Lindvik dagegen galt mehr als der Mann für das Springen, nicht so sehr für das Fliegen. Bis zur WM. Denn spätestens nach dem Training und der Qualifikation segelte der Mann aus Soerum – keine zwei Autostunden vom WM-Ort entfernt – an der Spitze mit. Die Spitze bestand aus den üblichen Verdächtigen, allen Slowenen, Landsmann Johannson und dem Österreicher Stefan Kraft, dessen großes Ziel es war, in Norwegen den letzten Titel zu ergattern, der in seiner exorbitanten Sammlung noch fehlt – eben den des Skiflugweltmeisters. Tande dagegen zeigte –  nachvollziehbar – Respekt, die Deutschen flatterten hinterher und auch Granerud kam mit dem „Monsterbakken“ nicht zurecht.

Nach dem ersten Wettkampftag – die Skiflug-WM besteht ja aus vier Durchgängen, je zwei pro Flugtag – zeichnete sich ein Zweikampf zwischen Kraft und Lindvik ab. Der Einheimische führte knapp, die Slowenen folgten auf den Plätzen und auch Robert Johannson durfte sich noch Chancen auf Edelmetall ausrechnen, musste am Finaltag wegen Rückenproblemen aber passen. Was folgte war ein Krimi. Da wäre zunächst mal Timi Zaic. Der segelte am 2. Wettkampftag wie ein Adler, stolze 245 Meter in der Probe, dann 243,5 und 235,5 Meter im Wettkampf. Das beeindruckte nicht nur die Landsleute, das beeindruckte auch Routinier Stefan Kraft aus Österreich. Der wurde am Ende Dritter, Zaic gewann Silber. Nur einer konnte alle Attacken abwehren: Marius Lindvik. Nach seinem letzten Flug, der ihn über die berühmte grüne Linie trieb, riss der neue Champion die Arme nach oben und 5.000 Fans im Auslauf freuten sich mit ihrem Landsmann. Lindvik – so viel steht fest – ist mit diesem Titel endgültig angekommen im Kreis der Skisprung-Superstars. Und daheim eine große Nummer. Weil er den Norwegern nicht nur den ersten Olympiasieg auf der Großschanze seit 1964 beschert hat, sondern auch einen neuen Skiflug-Champion, den vierten nach Ole Gunnar Fidjestoel 1988, Roar Loekelsoj 2004 und 2006 und Tande 2018.

 

Foto: Skispringen-news.de / K.Schneider

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