Deutschlands Olympia-Kandidaten in der Warteschleife
So schlecht die Saison auch bisher lief, einen Vorteil hat das Leistungstief: Richard Freitag und Carina Vogt müssen sich in Sachen Peking keine schlaflosen Nächte machen. Beide zählten vor noch nicht allzu langer Zeit zu den Vorzeigekünstlern auf den Schanzen dieser Welt. Beide erlitten Verletzungen, kamen nicht mehr in Tritt und sind deshalb bei diesen Spielen nur vor dem Fernseher dabei. Ob Vogt und Freitag ihre sportliche Laufbahn fortsetzen, steht in den Sternen. Gut möglich, dass nach dieser Saison Schluss ist, denn Vogt gewann in ihrer glorreichen Karriere fünf WM-Titel, schrieb zudem als erste Skisprung-Olympiasiegerin 2014 Sportgeschichte und Freitag, Silbermedaillengewinner von Pyeongchang mit dem Team, stand bei Welttitelkämpfen zwei Mal ganz oben, insgesamt vier Mal auf dem Treppchen, holte dabei 2013 gemeinsam mit Vogt im Mixed – Team Bronze, zwei Jahre später Gold und gewann zudem vier Plaketten bei Skiflug-Weltmeisterschaften. Welttitelkämpfe sind für beide also kein besonders reizvolles Ziel mehr und bis zu den Spielen in Mailand 2026 dauert es noch vier Jahre.
Viele offene Fragen
Andere Sportlerinnen und Sportlern bibbern in diesen Tagen dagegen nicht nur vor Kälte. Sondern weil die Spannung steigt. Ob Nordische Kombination, Skispringen, Biathlon oder Ski Alpin – selten waren die Kandidaten so eng beieinander, selten hatten die verantwortlichen Trainer so viele Schweißperlen auf der Stirn. Als Paradebeispiel darf die Nordische Kombination gelten. Wegen ihrer Top-Leistungen im Weltcup-Winter haben Vinzenz Geiger und Eric Frenzel ihre Olympia-Tickets schon in der Tasche. Aber fünf andere Kandidaten schielen noch nach den drei weiteren freien Plätzen, denn nach China darf der Bundestrainer nur eine Handvoll Sportler mitnehmen. Nimmt man die reine Weltcup-Reihung, wäre die Sache klar. Geiger und Frenzel liegen auf den Plätzen drei und vier, Terence Weber ist Fünfter, Julian Schmid Achter, dann folgen Johannes Rydzek auf Rang 13 und Manuel Faißt einen Platz dahinter. Fabian Rießle hat als Nummer 19 ziemlich schlechte Karten, der Routinier aus dem Schwarzwald landete zwar in diesem Winter einmal auf Platz 2, das war es dann aber auch und so fehlt dem Mannschaftsolympiasieger von Pyeongchang die halbe interne Norm, die Bundestrainer Hermann Weinbuch vor Saisonbeginn ausgegeben hatte und die der Rest der Truppe inzwischen vorweisen kann.
Dass Weinbuch aber beispielsweise Terence Weber auch noch keinen Persil-Schein ausgestellt hat, das liegt am aktuellen Formzustand. Und da zeigte die Kurve beim Sachsen zuletzt ein wenig nach unten, Johannes Rydzek dagegen bewies vor Wochenfrist in Val di Fiemme und auch zuletzt in Klingenthal ansteigende Tendenz. Gut möglich, dass Weber oder Manuel Faißt deshalb in den sauren Apfel beißen und die Spiele vor dem heimischen Fernseher aus verfolgen müssen. Das ist vor allem deshalb besonders schade, weil alle sieben deutschen Kombinierer in jeder anderen Nation das Ticket für die Spiele locker in der Tasche hätte und in vielen anderen Disziplinen im deutschen Wintersport auch.
Quoten-Teilnahmen
Beispielsweise im Eisschnelllauf. Dort hoffen die meisten Sportlerinnen und Sportler, dass der Verband ein Einsehen hat, und sie mit nach Fernost nimmt. Internationale Quoten würden das zulassen, die Nominierungskriterien dagegen haben in diesem Winter nur Altmeisterin Claudia Pechstein und der Erfurter Patrick Beckert erfüllt. Auch im Skilanglauf freuen sich einige Sportlerinnen und Sportler, dass es Staffeln gibt, denn so werden jeweils mindesten fünf Aktive in den Genuss kommen, die Reise ins Reich der Mitte anzutreten.
Medaillenbänke
Das sieht im Eiskanal anders aus. Bei den Bobpiloten stand „Kaiser“ Francesco Friedrich sowohl im Zweier, als auch im Viererbob schon längst als Starter fest, die Schlacht um den zweiten Bob entbrannt dann umso heftiger. Auch bei den Rodlern bedeutet deutsche Spitze seit Jahr und Tag ja auch Weltspitze und wer es in Deutschland nicht schafft, wäre anderswo oft genug noch die klare Nummer eins im Team. Was im Umkehrschluss bedeutet: Der Weg nach Peking ist in diesen Sportarten oft genug schwerer als die Jagd nach Medaillen vor Ort. Auch ein Zustand, der Athletinnen und Athleten vielleicht ein wenig ruhiger schlafen lässt.
Foto: Kevin Voigt