Wenn aus Solisten Teamplayer werden

Mannschaftsspringen - die Königs-Disziplin der Ski-Adler

Skiadler sind Einzelkönner. Kömpfen für sich. Um Titel und Medaillen, um Siege und Pokale. Immer nach dem Motto: Alleine gegen den Rest der Welt. Klar, es gibt Freundschaften unter den Springern. Das ist im nationalen Bereich logisch, schließlich verbringen Leistungssportler normalerweise mehr Zeit mit den Teamkolleginnen und -kollegen als mit der eigenen Familie. Aber wenn es in den Wettkampf geht, dann fightet jeder für sich. So war das jedenfalls, bis der Weltskiverband FIS ab 1978 das Mannschaftsspringen erfand.

Und für diesen Wettbewerb wechseln die Einzelkönner plötzlich die Perspektive. Egal ob Österreich oder Slowenien, Norwegen, Japan oder Deutschland, auf einmal verschwindet die individuelle Leistung hinter der Leistung für das Land, mindestens aber für das Quartett, das den Wettbewerb bestreitet. „Alleine verlieren ist schrecklich, mit der eigenen Leistung das Team runterziehen, das ist nicht zu ertragen“, sagte schon Altmeister Jens Weißflog, der aber eher die Sonnenseiten der Mannschaftswettbewerbe kennenlernen durfte. Mit seinen Teamkollegen Christof Duffner, Hans-Jörg Jäkle und Dieter Thoma holte Weißflog 1994 Olympiagold in Lillehammer. Ihm gegenüber erlebte Masahiko Harada aus Japan sein Waterloo, verlor als letzter Springer in Führung liegend Gold. Ein Albtraum, der Harada noch lange anhing und sich erst verflüchtigte, als ihm bei den Spielen vier Jahre später im eigenen Land doch noch der Sprung aufs oberste Podest gelang – mit der Mannschaft.

Beim Mannschaftswettbewerb in diesem Olympiawinter ist die Zahl der Favoriten groß. Slowenien wäre da wohl an der Spitze zu nennen, die Südosteuropäer haben eine starke und extrem ausgeglichene Mannschaft am Start, zudem mit Gold im Mixed-Team-Wettbewerb schon Gold in einem Wettkampf abgeräumt, der dem Mannschaftsspringen mindestens ähnelt. Da wäre das Team der Norweger, vor den Spielen durch Corona gebeutelt, aber spätestens seit Gold für Markus Lindvik von der Großschanze auch psychisch wieder obenauf und außerdem in vor vier Jahren in Pyeongchang Sieger. Da wären die Japaner um Ryoyu Kobayashi, die Österreicher, die Polen, die ausgerechnet zu den Spielen wieder aus ihrem Formkeller geklettert sind und natürlich auch die Vorjahresweltmeister aus Deutschland.

Es sind Kleinigkeiten, die über Sieg und Niederlage entscheiden werden, die Tagesform gehört dazu, das Material, der Wind, die Startaufstellung. Aber eines ist schon jetzt sicher – keiner der Springer wird – selbst in schier aussichtsloser Position – freiwillig darauf verzichten, sich mit höchstem Risiko vom Schanzentisch zu katapultieren. Denn man springt nicht für sich, sondern für alle.

Foto:K.Voigt Fotografie

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