Für Menschen, die der kyrillischen Schrift nicht mächtig sind, ist es mit der richtigen Übersetzung – beispielsweise von Namen – so eine Sache: Nehmen wir mal Sergei Ardashev. Der schreibt sich auf Russisch: Сергей Ардашев. Weil nun aber der Ski-Weltverband FIS das Russische erst ins Englische übersetzt und anschließend aus dem Englischen die deutsche Ableitung gebildet wird, wird aus Sergej Ardraschjew (nach der direkten Übersetzung Russisch-Deutsch) eben Sergei Ardashev.
Was der Leistung des 21jährigen Langläufers keinen Abbruch tut. Denn der junge Mann aus dem tatarischen Oblast Kasan läuft bei der U23 WM in Oberwiesenthal derzeit wie ein Uhrwerk. Gold über 15 km klassisch, Silber über die doppelte Distanz in der freien Technik – es läuft. Und wirft natürlich neugierige Fragen auf: Wo beispielsweise kommt er denn nun genau her, der neue russische Hoffnungsträger? Die Antwort ist ebenso einfach wie kompliziert: Aus Balesino. Aha, Balesino! Man muss schon genau hinschauen auf die russische Landkarte um das Örtchen ausfindig zu machen. Balesino liegt in Udmurtien. Noch nicht schlauer? Balesino liegt knapp 1.000 km östlich von Moskau, Perm ist in östlicher Richtung weitere 200 km weit weg, Kasan 300 km Richtung Südwesten und Ufa noch ein Stückchen weiter, allerdings in südöstlicher Richtung. Oder anders: Balesino ist genau der Ort, aus dem der Spruch stammen könnte: Russland ist groß und der Zar ist weit. Zum Glück für Sergej Ardaschjew war – als der Junge in die Schule kam, ein Trainer in der Nähe, der sein Talent förderte. Weshalb der neue Juniorenweltmeister Juri Saizew, der den Jungen bis zur vierten Klasse betreute, noch heute dankbar ist. Später übte Sergej unter Coach Nikolaj Loschkin und inzwischen ist Oleg Perewostschikow sein Trainer.
Erste Erfolge stellten sich schnell ein. Ardaschjew wird unter seinem „russisch-englischen“ Namen Ardashev als Silbermedaillengewinner der JWM in Goms 2018 geführt, holte im Jahr darauf in Lahti Silber bei der JWM im Sprint wurde bei den Russischen Meisterschaften im Vorjahr Sprint-Zweiter und Dritter über 50 Kilometer. Und er hat eine besondere Beziehung zu Dresden – immerhin nominierte man ihn 2019 für die Rennen am Elbufer – es war der erste Weltcup für den damals 20jährigen. Inzwischen haben sich weitere dazugesellt, was schon deshalb eine Leistung darstellt, weil das russische Team neben der Langlauf-Übermacht Norwegen wohl eines der stärksten und am breitesten Aufgestellten ist. Aber in diesem Winter war Sergej A. in Drammen und Falun mit von der Partie, kam als Elfter in Oberstdorf zum ersten Mal in ein Halbfinale des Sprints.
Nun also die U23 WM-Erfolge in den Distanzrennen. Und die sind verbunden mit großen Zielen. Etablieren will er sich in der Nationalmannschaft, im kommenden Jahr mindestens in der Staffel der Männer bei der WM der Erwachsenen in Oberstdorf mit von der Partie sein. Und die Olympischen Spiele 2022 in Peking sind das ganz große Ziel. Dann wird er 23 Jahre alt sein und hat die Langlauf-Zukunft immer noch vor sich. Und dann kann er vielleicht auch so gut Englisch, dass er keinen Dolmetscher mehr braucht und selbst erklären kann, wie man seinen Namen richtig schreibt.