Nach den Erfolgen bei der Biathlon-WM geht es jetzt um die Gesamtweltcups
Nove Mesto ist Geschichte. Aus Sicht von Frankreichs Frauen und Norwegens Männern eine Erfolgsgeschichte. Denn beim Saisonhöhepunkt, den Welttitelkämpfen in Mähren, räumte die Équipe tricolore bei den Damen mächtig ab. Was deshalb ein wenig überraschend kam, weil mit Ausnahme des Einzelrennens, bei dem die Italienerin Lisa Vittozzi siegte, alle Titel mit Beteiligung der Frauen nach Frankreich gingen. Julia Simon, Justine Braisaz-Bouchet, dazu die Staffel und beide Mixed-Wettbewerbe, immer erklang bei der Siegerehrung die Marseillaise. Erstaunlich ist das deshalb, weil die Konkurrenz aus Norwegen, Schweden, Deutschland oder der Schweiz insgesamt chancenlos blieb. Zugegeben, das Material spielte bei den schwierigen äußeren Bedingungen eine mitentscheidende Rolle. Aber allein daran kann es nicht gelegen haben, das beweisen die Ergebnisse der Herren. Hier nämlich dominierten die Norweger. Wieder einmal. Abgesehen von der Staffel, die Schweden gewann, waren die Überflieger der letzten Winter auch in Tschechien von der Konkurrenz nicht zu stellen. Sturla Holm Lagreid zum Auftakt im Sprint und anschließend Johannes Thingnes Boe sammelten die Titel ein. Für Boe reichte es zur 20. Goldmedaille bei Welttitelkämpfen, damit stellte er den Rekord seines Landsmanns Ole Einar Björdalen ein. Die Konkurrenz aus Schweden, Deutschland und Frankreich konnte da nicht mit. Was insbesondere in der ersten Woche wohl auch daran lag, dass die Techniker der Norweger einfach passendere Skier für die unwirtlichen Bedingungen in Nove Mesto lieferten als die Experten der Mitbewerber.
Jetzt biegt die Saison auf die Zielgerade ein. Nach dem Klassiker am Holmenkollen in Norwegens Hauptstadt Oslo macht sich die Weltcup-Karawane auf, um in Amerika den Abschluss des Weltcup-Winters zu feiern. In Salt Lake City und dem kanadischen Canmore finden die abschließenden Weltcupwochenenden statt, beides Orte mit Biathlon-Geschichte, schließlich gab es 2002 bzw. 2010 dort die Olympischen Wettbewerbe. Finales Trimester nennt man diese letzten Wettbewerbe, weil ein Weltcupwinter traditionell in drei Abschnitte eingeteilt wird. Er beginnt mit den Wettbewerben bis Weihnachten, dann folgen die Klassiker von Oberhof bis Antholz und die WM und eben anschließend das große Finale. Bei dem geht es um die Weltcup-Kugeln – und von denen gibt es reichlich. Neben dem Gesamtweltcup kämpfen Biathletinnen und Biathleten auf dem amerikanischen Kontinent auch in mehreren Teildisziplinen um die begehrte Kristallkugel, deren Umfang dann jeweils allerdings eine Nummer kleiner ausfällt als bei der großen Kuller für den Gesamterfolg. Spannung ist garantiert – bei den Frauen dokumentiert sich diese allein durch die Top-Platzierungen. Ingrid Landmark Tandrevold führt in der Gesamtwertung, erlebte aber eine WM, die nicht nach ihren Wünschen lief. Was die Frage aufwirft: Kann die Norwegerin den Schalter umlegen und wieder erfolgreich performen oder fängt die Konkurrenz die Norwegerin noch ab? Im Einzel von Oslo gab Tandrevold als Siegerin eine beeindruckende Antwort. Sie führt auch die Sprintwertung an, in der Verfolgung und im Massenstart hat derzeit Julia Simon die Nase vorn. Entschieden ist nach Oslo bereits der Kampf um die Kugel im Einzelstart, Lisa Vittozzi schnappte sich das Teil.
Bei den Männern ist die Situation etwas übersichtlicher. Hier führt im Massenstartbereich Johannes Dale-Skjevdal. Ansonsten steht in allen anderen Statistiken wieder einmal Johannes Thingnes Boe ganz vorn, fast logisch, aber noch längst nicht sicher. Zumindest im Sprint schnuppert mit Benedikt Doll noch ein Konkurrent aus Deutschland am Auspuff, in den anderen Wettbewerben müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn kein Norweger Kristall einsammelt, in der Verfolgung und im Massenstart sind die Skandinavier auf den Plätzen eins bis fünf zu finden, im Gesamtweltcup hat gleich ein halbes Dutzend Nordmannen die ersten Plätze abonniert. Und den Einzel-Weltcup-Sieg hat Boe seit Oslo schon in der Tasche
Bliebe der Blick aufs Wetter: So lausig wie bei der WM war es am Holmenkollen nicht, aber wegen der Wärme herrschten auch dort komplizierte Bedingungen, das Einzelrennen der Damen musste wegen des Nebels sogar verlegt werden. In den USA und Kanada wird noch eine neue Komponente dazukommen: Die Schneebeschaffenheit. Soldier Hollow war schon 2002 ein spezielles Pflaster. Schnee, der in den Rocky Mountains fällt, hat seinen Ursprung oft im Pazifik und daher oft eine andere Beschaffenheit als die weiße Pracht, die man in europäischen Breitengraden kennt. Und Voraussagen für das Wetter in Utah und Alberta zu wagen ist gegenwärtig nicht so einfach, am wahrscheinlichsten ist wohl, dass zumindest in Kanada der Winter noch einmal zurückkehrt. Das wäre dann ein zumindest von den Bedingungen her versöhnlicher Abschied aus einem Weltcupwinter, der auch als Winter enden würde, dazwischen aber alle Beteiligten vor große Herausforderungen stellte.
Fotos: K.voigt Fotografie