Eirin Maria Kvandal ist eine Kämpferin, die sich endlich belohnt
Norwegen hat eine neue Skikönigin: Eirin Maria Kvandal. Dass die 22jährige zum Ende der Saison der Konkurrenz ihren Stempel aufdrücken konnte, das hat etwas von der Geschichte des hässlichen Entleins, dass zum schönen Schwan wurde.
Der Reihe nach: Die Karriere der jungen Frau, die aus der Provinz Nordland stammt, inzwischen aber in Trondheim lebt und trainiert, verlief alles andere als geradlinig. Dass sie es überhaupt zum Skispringen schaffte, glich dem ersten Wunder. Denn die Norwegerin litt von Geburt an Skoliose. einer Verkrümmung der Wirbelsäule. Die dadurch verursachten Rückenprobleme hatten zwar keinen Einfluss auf ihren Alltag, ließen sich aber nicht mit ihrer Sportart vereinbaren. Da sich die Krümmung im Oberkörper befand, war aber eine Operation möglich. 2018 unterzog sich Kvandal dem Eingriff, der dauerte sieben Stunden, es wurden zwei Metallplatten und 22 Schrauben implantiert. Das wäre für die meisten Sportler gleichbedeutend mit dem Karriere-Ende, für Kvandal war es ein Anfang.
Damit nicht genug. Als Kvandal 2020 auf die Schanzen zurückkehrte, wurde sie von Corona ausgebremst. Aber das Talent ließ nicht locker, kam zunächst zu sporadischen Einsätzen im Weltcup, der Durchbruch erfolgte in Ljubno, dort holte sie im Januar 2021 ihren ersten Weltcupsieg. Zwei Wochen später folgte in Hinzenbach Rang 3, doch die Schanze in Österreich sollte erneut das Schicksal der jungen Frau bestimmen. Im dritten Wettkampf stürzte Kvandal schwer, riss sich Meniskus, Kreuz- und Seitenband im rechten Knie.
Es dauerte erneut einen Winter, ehe das Comeback erfolgte. Und dieses Mal fiel die Norwegerin meist dadurch auf, dass ihr Trainer den Anlauf für sie oft freiwillig verkürzte. Was nach den Regeln der FIS oft genug dazu führte, dass es für Kvandal eben nicht zum Sprung aufs Podest reichte, weil sie die Bonuspunkte nicht ergattern konnte.
Bis zum Springen in Oslo. Ausgerechnet am Holmenkollen, dem heiligen Gral der norwegischen Skisprung-Elite platzte der Knoten, Kvandal segelte zum Auftakt der RAW-Air-Tournee auf das oberste Podest und beendete damit eine kurze Durststrecke der Skandinavierinnen, die zuvor insbesondere Sloweninnen und den Springerinnen aus Österreich ein wenig hinterher geflogen waren. Damit nicht genug: Einmal in Form holte Kvandal auch in Trondheim und zum Abschluss beim Skifliegen in Vikersund Sieg um Sieg, gewann die Gesamtwertung, sicherte sich 40.000 Euro Zusatzprämie und avancierte zum Star, nicht nur in ihrer norwegischen Heimat.
Sozusagen im Schatten von Kvandal ging in Vikersund noch ein weiterer norwegischer Stern auf. Landsfrau Silje Opseth, die auf dem so genannten „Monsterbakken“ auf sagenhafte 230 Meter segelte und damit einen neuen Weltrekord im Skifliegen der Frauen aufgestellt hatte. Im Probedurchgang war Opseth sogar auf 236,5 Meter gesegelt, stürzte allerdings bei der Landung. Sie blieb zwar bis auf größere Schürfwunden im Gesicht unverletzt, als Rekord galt der Flug damit aber nicht.
Für die beiden Norwegerinnen ist die Weltcupsaison aber noch nicht zu Ende. Die Karawane zieht noch einmal weiter, dieses mal in die Karawanken, nach Planica in Slowenien. Dort gibt es noch ein Springen, dann ist der Winter rum, für Kvandal sicherlich mit einem guten Gefühl, für Opseth mit ein paar Schrammen und dem Weltrekord in der Tasche.
Fotos: Skispringen-news.de