Wir schlagen ein neues Biathlon-Kapitel auf. Nichts ist nach dieser Saison so, wie es früher einmal war. Als hätte jemand dem Establishment den Teppich unter den Füssen weggezogen um neuen Namen an der Spitze Platz zu machen. Entscheidungen fielen, die sporthistorischen Charakter haben. Bei den Damen dominierten in der Vergangenheit immer die grossen Biathlon-Nationen Norwegen, Deutschland, Frankreich und Schweden in der Wertung des Gesamtweltcup. Vorbei. Eine kleine Mannschaft aus Italien bezwang die Riesen. Dorothea Wierer wurde die erste italienische Weltcup-Gesamtsiegerin und um den Erfolg der Mannschaft des ruhigen und stets gelassenen Trainers Andreas Zingerle zu unterstreichen, belegte Lisa Vitozzi auch noch den zweiten Platz. Und ja, es kam überraschend. Für alle. Denn nach den Olympischen Spielen veränderte sich das Betreuerteam in Italien. Patrick Oberegger, bis dahin Teamchef, wechselte nach Norwegen, Patrick Favre schloss sich der französischen Mannschaft an. Mit einer kompletten Runderneuerung vor allem im System reagierte Italien. Es wurde ein Eliteteam geschmiedet aus Wierer, Vitozzi sowie den beiden Herren Dominik Windisch und Lukas Hofer. Und dieses Quartett gewann in Östersund fünfmal Edelmetall und zwei Weltmeistertitel. Der Titel von Wierer, der sie als beste und beständigste Biathletin auf höchsten Niveau über einen gesamte Saison hinweg auszeichnet, war mehr als nur ein weiterer Ritterschlag. Er war die Krönung. Eine bessere Werbung für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Antholz, bei der Kinetixx als Partner intensiv dabei sein wird, hätte es nicht geben können.
Und auch bei den Herren blieb in dieser Saison kein Stein mehr auf dem anderen. Siebenmal in Folge hatte zuletzt der Kineitxx-Vorzeigeathlet Martin Fourcade die grosse Kristallkugel gewonnen. Eine einmalige Serie, die nicht einmal der grosse Biathlet Ole-Einar Björndalen (Kinetixx-Botschafter) schaffte. Bei ihm waren es sechs Erfolge hintereinander. Und Fourcade gewann auch in einer Saison 14 Rennen. Beim Finale in Oslo war der Franzose nur noch anwesend und nicht mehr dabei und bei den Weltmeisterschaften ging er leer aus. Seinem potentiellen Nachfolger Johannes Thingnes Boe aus Norwegen stehen alle Türen offen, um die schier erdrückenden Statistiken vergangener Helden zu Fussnoten der Biathlongeschichte zu machen. Boe gewann in dieser Saison 16 Rennen von 25 und dabei viel noch jenes von Canmore aus, als es zu kalt war, um zu starten. Er war zudem fast bei allen Wettkämpfen in der Lage, gegenüber allen, wirklich allen Konkurrenten eine Strafrunde herauszulaufen. Manchmal auch zwei. Und Boe ist erst 25 Jahre alt. Er hat sich in den vergangenen Jahren ständig verbessert, vor allem am Schiessstand. Früher kokettierte er gerne mit seiner jugendlichen Wildheit. Nur Risikio schien ihm wirklich Spass zu machen. Der französische Trainer Siegfried Maze, der einst Martin Fourcade in die Weltklasse brachte, formte das Juwel aus Norwegen, brachte Struktur in seinen Wettkampf am Schiessstand, ohne dass Boe, der Jüngere (auch sein Bruder Tarjei gewann schon einmal den Gesamtweltcup), seine Qualität in der Loipe verlor. Nur wenn sich ab zu noch der alte Schlendrian einschleicht, hat die Konkurrenz eine Chance. Doch der schöne Satz, vom König der tot ist und vom neuen König der lebt, ist vielleicht noch etwas zu früh, um ihn anzuwenden. Denn Martin Fourcade hat den Fehdehandschuh in den Biathlonring geworden. Er wird sich mit aller gebotenen Akribie auf die nächste Saison vorbereiten, um dem Überflieger des abgelaufenen Winters, Johannes Thingnes Boe, der zudem alle Disziplinwertungen gewann (wie zuletzt eben auch Fourcade), doch noch einmal die Flügel zu stutzen. Es wird interessant sein zu verfolgen, ob ihm das gelingen wird. Und deshalb kann ich guten Gewissens sagen: Ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Winter.