Eröffnung als (vorläufiger) Endpunkt

Oberhofs steiniger Weg zur Biathlon-WM 2023

Wenn am 8. Februar die Biathlon-Weltmeisterschaft in Oberhof feierlich eröffnet wird, dann ist das für die vielen fleißigen Frauen und Männer, die seit fast einem Jahrzehnt an der Vorbereitung der Titelkämpfe gewerkelt haben, ein Höhepunkt. Und ein vorläufiger Endpunkt.

Zu Ende ist die WM dann natürlich noch lange nicht und die Arbeit ist auch dann nicht vorbei, wenn sich Mannschaften, Trainer, Fans und Funktionäre am 19. Februar nach dem letzten Wettkampf aus Thüringen verabschieden. Aber die Eröffnung lässt die Organisatoren garantiert kurz innehalten. Denn wenn die Wettbewerbe laufen, ist ein wesentlicher Teil eines langen und oft beschwerlichen Weges erfolgreich gemeistert.

Die Keimzelle dieser WM, die ist schon etwas älter, nämlich 40 Jahre. Damals eröffnete man in Oberhof ein Biathlon-Stadion. Gebaut auf staatliche Anweisung, mit Hilfe der Armee. Die Arena war zunächst nicht zwingend auf großen Zuschauerzuspruch ausgerichtet, auch nur bedingt fernsehtauglich. Aber weil die ostdeutschen Athleten, allen voran Lokalmatador Frank Ullrich, äußerst erfolgreich waren, weil sich in den 80er Jahren der Weltcup als Wettkampfserie etablierte und weil die Stadt schon seit langer Zeit ein touristisches Zentrum darstellte, verschmolzen von Anbeginn zwei Komponenten zu einer Einheit und Oberhof entwickelte sich zu einer Art Biathlon-Kultstätte. Die Fans standen nicht nur auf den Rängen im Stadion, sie standen auch im Wald, oftmals war die Strecke schwarz vor Menschen. Hinzu kam die anspruchsvolle Strecke, die mit Birxsteig und Wolfsschlucht den Sportlern alles abverlangte.

So entwickelte sich der Ort in der Nähe des Rennsteigs zu einer festen Größe im Weltcupkalenderund wurde von den Aktiven geliebt, weil die Atmosphäre auf den Rängen ihresgleichen suchte. Um die Jahrtausendwende sprach man in der Szene von den „großen Drei“, gemeint waren die drei Weltcuporte, die in schöner Regelmäßigkeit zu Beginn des Kalenderjahres ausgetragen wurden. Oberhof machte den Anfang, es folgten Ruhpolding und Antholz. Phasenweise richteten die drei Orte sogar einen kleinen Wettbewerb innerhalb des Weltcups aus, ORA-Trophy nannte man die Mini-Serie, benannt nach den Anfangsbuchstaben der Austragungsorte.

 

Es war fast folgerichtig, dass die Thüringer 2004 eine WM austragen durften. Als vierter deutscher Veranstalter. Garmisch und das sächsische Altenberg hatten einst Titelkämpfe ausgerichtet, Ruhpolding war zu dieser Zeit schon zwei Mal Gastgeber gewesen. Für die WM wurde in Thüringen viel gebaut, das Stadion wurde zur Rennsteig-Arena, auch rund um die Sportstätte gab es Veränderungen. Es zeigten sich aber auch die Grenzen der Möglichkeiten. Nicht alle Wünsche gingen in Erfüllung, einige Provisorien blieben.

Die WM wurde ein Riesenerfolg, auch wenn das Wetter nicht an jedem Wettkampftag mitspielte. Dafür feierten die Fans eine Dauerparty und weil am Ende mit Lokalmatador Frank Luck der Senior im DSV-Team auch noch mit Staffelgold seine Karriere krönte und zugleich beendete, blieben diese Welttitelkämpfe vielen Zuschauern noch lange in Erinnerung.

Es folgten weitere Weltcups, es folgte aber auch eine Entwicklung, die nicht für die Deutschen sprach. Denn andere Länder rüsteten auf, die Russen oder die Tschechen mit Nove Mesto beispielsweise. Und bei den Thüringern bekamen die Provisorien mehr Beachtung. Es fehlten Schneedepots und Unterkünfte, die Umkleidekabinen waren nach wie vor Container und es mangelte an Platz für die Wachstrucks und die TV-Übertragungstechnik. Die Anlieferung führte in schöner Regelmäßigkeit zu langen Wartezeiten. Am schlimmsten aber war die Tatsache, dass die Absicherung der Wettkämpfe immer komplizierter wurde, weil der Schnee nicht ausreichend fiel. Oberhof liegt 815 Meter hoch, nicht schneesicher genug in Zeiten des Klimawandels. Die in unmittelbarer Nähe des Stadions gebaute Skiarena konnte da nur partiell für Abhilfe sorgen – wichtig zwar, aber nicht ausreichend. Und so erlebte Oberhof auch einen Tiefpunkt, weil die Gastgeber 2016 wegen Schneemangels den Weltcup absagen musste, stattdessen ging es zwei Wochen hintereinander in Ruhpolding zur Sache.

Kein Wunder, dass die erste Bewerbung der Stadt um die WM-Ausrichtung in ebenjenem Jahr keinen Zuspruch fand. Dafür aber der zweite Anlauf 2018. Oberhof bekam die WM 2023 und es begann eine Phase, die alle Beteiligten im Nachgang sicherlich freundlich als „schwierig“ umschreiben werden. Denn es mussten gewaltige Veränderungen vorgenommen werden, um die Anforderungen des Weltverbandes IBU in Einklang zu bringen mit den Wünschen nach Nachhaltigkeit, Sparsamkeit, Effizienz und Naturschutz.

Dass dieser Spagat gelang, das verdanken die Oberhofer ihren rührigen Organisatoren um den aktuellen OK-Chef Thomas Grellmann, den Förderungen vom Bund und dem Land Thüringen, der Kompromissbereitschaft vieler Akteure. Es konnte ein Rückhaltebecken ins Naturschutzgebiet integriert werden, nach dem bereits zuvor errichteten Funktionsgebäude sind nun auch andere Bauten entstanden, die Wettkampfstrecke wurden verändert. Es wurden Straßen verbreitert, die Mannschaften erhalten jetzt mehr Möglichkeiten, Medienschaffende ebenfalls. Und auch ein neu errichtetes Fünf-Sterne-Hotel im Ortskern sorgt in Sachen Unterbringung für Entspannung. Und man sorgte auch bei Umweltschützern für Aufmerksamkeit, weil die Abwärme aus der Skihalle jetzt als Heizung für andere Objekte genutzt wird. Weil man auch die Zuschauerkapazitäten in der Arena erweiterte – sie bietet jetzt 25.000 Menschen im Stadion Platz, dazu gibt es 13.000 Möglichkeiten an der Strecke. In diesem Winter rechnen die Organisatoren mit 160.000 bis 180.000 Zuschauern bei der WM.

 

Das wäre auch bitter nötig. Weltmeisterschaften sind auch Wirtschaftsfaktoren, von denen Oberhof, das Umland, ja ganz Thüringen profitieren. Sei es in der Gastronomie, der Hotellerie, oder im Einzelhandel. Vom Bekanntheitsgrad des Ortes ganz zu schweigen. Oberhof ist laut einer Statistik nach Weimar und der Landeshauptstadt Erfurt Thüringens Nummer drei im Ranking der Gästeliste. Reichlich 1.500 Einwohner zählt das Städtchen, registrierte aber zuletzt 426.000 Übernachtungen jährlich.

Das war vor Corona. Jetzt fragen sich alle: Was kommt nach der Pandemie? Gleich zwei Weltcups mussten die Oberhofer ohne Publikum austragen, auch hier halfen Freistaat, Verband und  Bund beim Abmildern der Folgen dieses Minusgeschäftes. In Sachen Organisation des Transports springen die Gastgeber bei der WM also ins kalte Wasser, denn Üben konnten sie in den letzten beiden Jahren nicht. Abgesehen davon, dass die Straße hin zum Grenzadler erst in den letzten Monaten saniert wurde.

Einen Test gibt es trotzdem, wobei sich das Wort „Test“ in diesem Zusammenhang fast verbietet. Oberhof ist anno 2023 nämlich Austragungsort einer Doppel-WM. Vor den Biathletinnen und Biathleten wird auf dem Kamm Thüringens nämlich um WM-Medaillen gerodelt. Auch hier hat man keine Kosten und Mühen gescheut, Millionen in die Erneuerung der Bahn gesteckt, das Umfeld verändert. Die Rennschlittenbahn liegt auf dem Weg zur Ski-Arena. Eine schöne Symbiose. Eines allerdings haben Rennrodlerinnen und Rennrodler als Alleinstellungsmerkmal. Deutlich mehr Geschichte. Die erste WM im Eiskanal gab es in Oberhof nämlich schon 1931. Und auch als die inzwischen renovierte Bahn eingeweiht wurde, rodelte man um WM-Gold, -Silber und -Bronze. Das war 1973, da war an ein Biathlonstadion in Rufweite noch nicht zu denken.

 

Fotos: K.Voigt Fotografie

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