Pleite-Geier im Anflug ?

Die Corona-Pandemie bringt Weltcup-Veranstalter mehr und mehr in wirtschaftliche Nöte

Den Anfang machte Klingenthal. Ob es der Anfang vom Ende ist, steht dabei noch in den Sternen. Denn während bei den Weltcups in Finnland und Schweden, Norwegen und Polen oder auch in Übersee bisher Publikum dabei sein durfte, meldeten die Organisatoren des Skisprung Weltcups im Vogtland: Zuschauer müssen leider draußen bleiben.

So wie den Sachsen ging und geht es auch den Weltcup-Organisatoren beim Biathlon in Oberhof, beim Langlauf in Dresden und nun auch Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen. Und man muss befürchten, dass auch die Ruhpoldinger schweren Herzens ihre Gäste wieder ausladen müssen.

Die Folge: Die Vereine kommen wirtschaftlich in größte Not. Denn zum zweiten Mal in Folge fehlen die Zuschauereinnahmen, werden fette rote Zahlen geschrieben. Man kann an dieser Stelle mal plakativ darstellen, welche Einnahmen den Gastgebern des Weltcup-Zirkus entgehen, wenn Publikum nicht dabei sein kann.

Da wären die ganz gewöhnlichen Zuschauereinnahmen. Das billigste Einzelticket kostet in Ruhpolding 23€, für den Dauersitzplatz auf der Tribüne am Schießstand sind knapp 400 € fällig. Zuschauer, die nicht dann noch die deutlich teureren V.I.P.-Tickets kaufen, wollen meistens trotzdem eine Bratwurst oder einen Leberkäse verspeisen, trinken das eine oder andere schöngeistige oder wenigstens wärmende Getränk, benutzen einen Parkplatz und echte Fans betreten bzw. verlassen die Chiemgau-Arena nicht ohne entsprechende Devotionalien, vom Schal bis zur Tasse ist da Vieles möglich.

Der sehr spezielle V.I.P.-Bereich wurde schon erwähnt. Oft ist es hier so, dass die Gastgeber Interessenten ein so genanntes „Hospitality-Angebot“ unterbreiten, das ist eine Mischung aus Tickets der obersten Kategorie einschließlich Verköstigung und anderweitige Bespaßungen. Speziell diese Offerten haben sich in den letzten Jahren als Erfolgsmodell für alle Beteiligten etabliert. Hinzu kommen die klassische Werbung zumindest für die Bereiche außerhalb des so genannten Fernsehbereiches, also jene Sektoren, die nicht vom TV-Bild abgedeckt sind. Und es gibt natürlich noch die indirekten Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Die werbetreibende Wirtschaft am Weltcup-Ort oder in der Region machen selbstverständlich keine Reklame, wenn potentielle Kunden gar nicht vorhanden sind und Vereinbarungen mit Busunternehmen, Taxibetrieben, Hotels, der Gastronomie oder anderen Partnern werden natürlich vorzugsweise besonders dann gerne geschlossen, wenn sich die Gegenseite im Gegenzug zum Sponsoring durchringen kann. Das muss nicht immer direkt oder in Euro und Cent passieren. Aber – auch wieder nur ein Beispiel – wenn ein Thüringer Busbetreiber beim Weltcup in Oberhof erster Ansprechpartner ist und im Gegenzug für den Nachwuchs der Vereine in der Region ein paar Kleinbusse kostenlos zur Verfügung stellt, haben alle Seiten keinen Fehler gemacht. Und dass auch die mittelbar Beteiligten von Großveranstaltungen profitieren, muss an dieser Stelle sicherlich nicht gesondert erwähnt werden. Ob Tankstelle oder Kneipe, Supermarkt oder Apotheke – irgendwas geht immer.

Das alles fällt nun weg, zum wiederholten Male. Und die aktuelle Lage lässt die Verantwortlichen in Sachsen, Thüringen und Bayern mit großen Sorgenfalten auf der Stirn zurück. Denn während die Einnahmen zusammenbrechen, sinken die Ausgaben nur unwesentlich, ganz abgesehen davon, dass bestimmte Vereinbarungen mit Partnern schon geschlossen wurden und nicht mehr zu stornieren sind, andererseits die Rückabwicklung der bereits getätigten Ticketverkäufe noch einmal zusätzlich kosten.

Und die Lösung? Die gibt es nicht! Ja – es gab Versicherungen für Ausfälle, ja – Kommunen, Landkreise, Länder und der Bund sprangen in die Bresche, Sponsoren zahlten trotzdem und wandelten sich zu Mäzenen. Was aber blieb und auch im Winter 2021/22 bleiben wird, ist die triste Tatsache, dass man – egal wo – trotzdem Minus machen wird oder im allerbesten Falle keine Gewinne einfährt. Die aber sind in Etats oft eingepreist, sind ein wesentlicher Grund, sich überhaupt um Weltcups zu bewerben, die Mühsal der Organisation auf sich zu nehmen. Von den Erträgen bezahlte man in vielen Fällen den Rest des Wettkampfjahres, steckte das Geld in die Infrastruktur, die Nachwuchsförderung, sicherte unterklassige Wettbewerbe ab. Das alles fehlt nun. Und stellt das gesamte – bisher bewährte – System in Frage. Antworten auf diese existenzielle Herausforderung für die Vereine und den Sport müssen deshalb gefunden werden, sonst – um im Bild zu bleiben – ist nicht auszuschließen, dass dort, wo bisher die Ski-Adler segelten demnächst der Pleite-Geier kreisen wird.

 

Foto: K.Voigt Fotografie

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