Eurosport Moderator Sigi Heinrich über Martin Fourcade:
Hätte man mir den Auftrag gegeben, ein Drehbuch zu schreiben für das letzte Rennen von Martin Fourcade, für seine Abschiedsvorstellung: Ich wäre meilenweit an der Realität vorbeigeschrammt. Ein paar rührselige Szenen hätte ich eingebaut, Umarmungen – Was halt so dazu gehört in einer solchen Situation, um einem der besten Biathleten aller Zeiten gerecht zu werden. Vielleicht wäre es auch ein wenig schnulzig geworden. Ein paar Tränen. Kommt ja immer gut an.
Es war der 14. März 2020, als der Franzose zum letzten Mal mit seinem Kleinkalibergewehr in die Loipe ging. Und vor genau und zwar auf den Tag genau vor zehn Jahren gewann er in Kontiolahti sein erstes von 78 Rennen. Fünfmal wurde er in der Zwischenzeit Olympiasieger, 13x Weltmeister. Er gewann siebenmal in Folge den Gesamtweltcup. Und nun, an diesem denkwürdigen Tag, gewann er noch einmal. Sein 79. Rennen. Und er verlor zugleich. Nämlich den Kampf um den Gesamtweltcup, den er sich ein achtes Mal sichern wollte. Zwei Punkte nur trennten ihn am Ende von Johannes Thingnes Boe, dem Norweger. Auch er, wie Fourcade, ein Athlet, der mit unseren Produkten der Genauigkeit am Schießstand zu einer neuen Dimension verhalf. Wie also sollte sich Fourcade verhalten? Sich freuen über einen Sieg auf der einen Seite oder sich ärgern über die knappe Niederlage? Er stellte sich der fürwahr ungewöhnlichen Situation mit all seiner in all den Jahren gereiften Persönlichkeit. Er lobte Boe und pries ihn an als einen würdigen Nachfolger, gar als den Mann, der in Zukunft eine ähnlich dominierende Rolle spielen könne wie er. Und dann unterhielt er sich mit dem Russen Alexander Loginov, dem er dessen Dopingvergangenheit zu Recht immer wieder vorwarf. Im Zielraum von Kontiolahti blieb er stehen, als Loginov auf ihn zukam. Ich habe die Szene genau beobachtet. Lieber Martin: Mehr Größe geht nicht. Es war ein Bild mit großem Symbolcharakter, als ihn dann seine Mannschaftskollegen in die Höhe warfen. Er war jetzt angekommen. Aus dem Exzentriker, dem Einzelgänger, dem Piraten, der niemanden neben sich dulden wollte, ist in den zwölf Jahren seiner Weltcup-Karriere (sein erstes Rennen bestritt er 2008 in Oslo) ein Mannschaftsspieler geworden. Mehr noch. Er hat sich als Leitwolf erwiesen und eine neue Generation französischer Biathleten in seinem Sog zur Weltklasse geführt. Mit Niederlagen hatte er sich nie angefreundet. Wie auch. Umso erstaunlicher war es, wie er, ein ums andere Mal geschlagen, seine Lehren zog aus der missratenen nacholympischen Saison 2018/2019. Er wurde nur Zwölfter im Gesamtklassement. Nur in seiner ersten Saison war er als Newcomer schlechter gewesen (24). Er stellte sein Leben um, fokussierte sich wieder mehr auf den Sport und kehrte als Champion zurück. Gerade dies hat ihm ungeheuer viel Respekt eingebracht. Mehr noch als manche Siegesserie.
Fourcade hinterlässt eine Lücke aber auch ein Vermächtnis. Und so war es erneut eine unglaubliche Geschichte, dass auf dem letzen Podest seiner Karriere mit ihm in der Mitte zwei Landsleute standen: Quentin Fillon-Maillet (ebenfalls ein Kinetixx-Athlet) und Emilien Jacquelin. Johannes Thingnes Boe hatte im Zieleinlauf beide ziehen lassen, weil er wusste, dass ihm ein vierter Rang zum Gesamtweltcup reichen würde. Noch ein große Geste an diesem Tag, die im Abschiedszauber um Martin Fourcade unterging, die aber noch einmal deutlich machte, mit viel Anstand und Fairness dieser Sport von allen Beteiligten betrieben wird. Wer so gut wird wie Fourcade darf gut und gerne als Perfektionist bezeichnet werden. Ein Beispiel: Vor den Weltmeisterschaften 2016 in Oslo mietete er sich ein Haus am Holmenkollen, um sich punktgenau auf die Wettkämpfe dort einstellen zu können. Das Resultat waren vier Gold-und eine Silbermedaille. Und auch bei den Gesprächen mit uns bezüglich seiner Handschuhe spürte man diesen Drang, auch Kleinigkeiten immer mit einzubeziehen. Er wollte ein perfektes Produkt. Es freut uns, dass wir ihm am Ende seiner langen Karriere noch behilflich sein konnten. Martin Fourcade hat, was nicht vielen gelingt, einen perfekten Schlusspunkt gefunden. Er hat den Biathlonsport zehn Jahre geprägt. Und auch deshalb: Merci beaucoup Martin et voyons!
Foto: K.Voigt Fotografie
2 Antworten
Marcel Hirscher (achtmaliger Gesamtweltcupsieger): “Felix ist unglaublich talentiert, aber was mich immer fasziniert hat, ist die menschliche Seite. Er hat mir immer geholfen, stand immer mit Rat und Tat zur Seite – auch, als wir gro e Konkurrenten waren. Er ist ein beeindruckend feiner Kerl.”
Eine der Gro?en verlasst die Biathlon-Buhne. Kaisa Makarainen teilte ihren Rucktritt kurz vor ihrem letzten Rennen, der Verfolgung im finnischen Kontiolahti, mit.