Kamil Stoch wird es verdrängt haben – oder er hat es gar nicht gehört. 2007 war’s, da segelte der Pole als 19-Jähriger – damals noch im Schatten seines großen Landsmanns Adam Malysz – in Klingenthal durch die Luft und wurde bei der Weltcuppremiere auf der neuen Schanze im Vogtland versehentlich als Kamil Storch angekündigt. Der Storch – oder doch besser Stoch – biss sich zu dieser Zeit bei den Flügen auf den Schanzen noch oft selbst ins Bein – landete häufig in der Abteilung „unter ferner sprangen…“. Aber der junge Pole galt als großes Talent. Gut Ding will eben Weile haben.
Ein Dutzend Jahre später ist Kamil Stoch wieder in Klingenthal dabei. Erfolgreich natürlich, denn mit Polen holte Stoch Platz 1 im Teamspringen. Und während man seine Anwesenheit 2007 einigermaßen emotionslos zur Kenntnis nahm, geht inzwischen ein Raunen durchs Publikum, wenn der Name des Polen – der inzwischen so bekannt ist, das Brehms Tierleben oder die Märchen von Wilhelm Hauff nicht bemüht werden müssen – vom Schanzensprecher aufgerufen wird. Klar, zählt doch der inzwischen 32-jährige zur Creme de la Creme in seiner Sportart. Stoch gewann drei Olympische Goldmedaillen, zwei Weltmeistertitel, wurde 2x Gesamtweltcupsieger und 2x Sieger der Vierschanzentournee. Dabei brachte er in Bischofshofen 2018 das Kunststück fertig, alle vier Springen zu seinen Gunsten zu entscheiden. Das gelang vor ihm nur Sven Hannawald und in der vergangenen Saison dem Japaner Ryoyu Kobayashi. Mit den einstigen Helden Espen Bredesen, Jens Weißflog, Matti Nykänen und Thomas Morgenstern teilt Stoch zudem die Besonderheit, alle vier Groß-Titel in seiner Sportart errungen zu haben. 33 Einzel-Weltcupsiege konnte er einsammeln – daheim ist er inzwischen ein Nationalheld und der bekennende Katholik denkt noch nicht ans Aufhören. An Weihnachten dagegen schon. Denn Stoch ist nicht nur Skispringer und Werbe-Ikone, sondern auch Ehemann. Dabei wird Polens zweifacher Sportler des Jahres (2014/2017) übrigens – wie praktisch – von Ehefrau Ewa Bilan, mit der er seit 2010 verheiratet ist, gemanagt. Und oft genug zieht es ihn ins Elternhaus in Zakopane, dort, wo er einst von seinem Onkel die ersten Skier geschenkt bekam, die ersten Sprungski mit ins Bett nahm und das Dach des Wohnhauses der Familie als Schanze „missbrauchte“, wie Vater Bronislaw polnischen Medien erzählte. 128 Meter schaffte Stoch als Elfjähriger, spätestens da war für den kleinen Kamil klar, dass es hineingehen soll, in die Weltspitze. Was überzeugend gelang.
Aber es gibt eben noch Zeiten außerhalb des Springens, gerade an den Feiertagen versucht auch Stoch den Spagat zwischen Entspannung daheim und der Konzentration auf den Jahreshöhepunkt, die Vierschanzentournee. Das hat schon mehrfach gut geklappt, was möglicherweise auch am guten Essen daheim liegt. Bei Stochs gibt es Heiligabend traditionell fleischlose Kost, Piroggen, eine Suppe, die die Gattin zaubert, und Fisch. Am ersten Feiertag wird bei Stochs dann auch kein Storch gebraten, vielmehr kommt ein Truthahn auf den Tisch. Alles in Maßen natürlich, schließlich will Kamil nicht mit „Schwimmring“ bei der Tournee starten und wie ein Storch durch die Luft flattern. Außerdem stehen am zweiten Weihnachtsfeiertag auch noch die polnischen Meisterschaften auf dem Programm, die werden immer im Wechsel in Zakopane oder Wisla ausgetragen und anno 2019 ist Wisla dran – lang sind die Weihnachtsfeiertage im Hause Stoch also nicht. Bei den polnischen Meisterschaften und bei der Tournee will Kamil Stoch dann wieder wie ein Adler segeln. Weil er das Fliegen liebt. Und ihm treu bleiben will auch nach der Karriere. Allerdings nicht mehr im Sport, als Trainer etwa, sondern als Pilot.