Eine Wintersport-Saisonbilanz…

„Allez les bleus“ gegen Familie Boe

Als der sogenannte Winter vor der Tür stand und sich die Sportlerinnen und Sportler rüsteten, um auf Schanzen, an Schießständen oder in der Loipe um Siege und Titel zu streiten, da orakelten Fans und so genannte Experten, wer denn der künftige Held oder die Vorzeigefrau des Skiwinters werden könnte. Inzwischen sind alle Fragen beantwortet, weil die Saison – bedingt durch äußere Umstände – früher zu Ende gehen musste, als gedacht. Und im Prinzip können sich alle als Sieger fühlen. Eine der Schlüsselfragen vor dem Biathlon-Winter lautete: Findet Martin Fourcade, der gebeutelte Star der Saison 2018/19 den Reset-Knopf? Oder dominiert Johannes Thingnes Boe aus Norwegen ein zweites Winterhalbjahr nach Belieben? Und ob der Stärke der Franzosen und der hervorragenden Leistungen der Norweger hätte die Frage auch verkürzt lauten können: Allez les bleus oder Familie Boe?

Johannes Thingnes Boe gewinnt den Gesamtweltcup 19/20

 

Am Ende siegten irgendwie alle. Johannes Thingnes Boe gewann bei der WM. Wenn er im Weltcup startete, lief er auch immer um Siege mit und konnte erneut den Gesamtweltcup für sich entscheiden. Wenn er mal nicht auf das Podest lief, stand oft genug Bruder Tarjei bereit. Martin Fourcade lief wieder dort, wo er nicht nur seiner Meinung nach hingehört – in der absoluten Weltspitze. Für den Franzosen gab es bei der WM noch 2x Gold und 1x Bronze und spätestens nach Antholz dürfte sein Platz auf dem Biathlon-Olymp zementiert sein.

Marte Olsbu Roiseland dominiert bei den Weltmeisterschaften in Antholz!

 

Bei den Frauen fragten sich viele, wie der erste Winter nach Laura Dahlmeier laufen würde. Und siehe da, er lief wie erwartet. Mehrere Sportlerinnen teilten sich das Erbe der überragenden Deutschen: Dorothea Wierer und Tiril Eckhoff taten sich besonders hervor, aber auch Denise Herrmann, die sich aus deutscher Sicht bemühte, würdige Erbin von Dahlmeier zu sein. Bei der WM jedoch lief und schoss sich eine Frau ins Rampenlicht, die man zwar kannte, als Superstar aber sicher nicht auf dem Schirm hatte: Marte Olsbu Roiseland! Die kam, sah und siegte und gewann unvorstellbare sieben Medaillen. Oder anders: Die Norwegerin stand bei jeder Entscheidung der Frauen auf dem Treppchen. Wahnsinn!

Dawid Kubacki gewann die Vierschanzentournee!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Höhenflug auf der Schanze

Das Wort Wahnsinn dürfte auch Polens neuer Skisprung-Held David Kubacki in den Mund genommen haben. Der trat die Nachfolge von Ryoyo Kobayashi an, wurde Sieger der Vierschanzentournee und damit des einzigen echten Highlights der Skispringer in dieser Saison. Kubacki sprang beständig wie immer, aber dieses Mal auf einem Niveau, dass die Konkurrenz nicht halten konnte. Und der Pole steigerte sich in der entscheidenden Sekunde und behielt dabei die Nerven. Ansonsten darf man bei den Springern konstatieren, dass es irgendwann irgendwie mal jeden erwischte mit einem Durchhänger. Der spätere Weltcupsieger Stefan Kraft aus Österreich hatte Mühe, in die Gänge zu kommen und schwächelte am Ende der Saison zusehends. Deshalb wird der ÖSV-Skiadler den Abbruch der Serie möglicherweise nur begrenzt betrauern. Kobayashi lernte kennen, dass auch er schlagbar ist, Kamil Stoch spielte Skisprung Jo-Jo, auf Top-Resultate folgten Rohrkrepierer und die Herren Eisenbichler und noch ärger Freitag, im letzten Jahr noch Weltmeister, kamen nur ganz schwer beziehungsweise überhaupt nicht (Freitag) in die Gänge. Lässt man die deutsche Brille auf, gilt das auch für die Skisprung- Damen, die der international verbesserten Konkurrenz in diesem Winter nicht standhalten konnte.

Akito Watabe beim Seefeld Triple

Nordische Kombination mit norwegischem Dominator

Und da wären noch die Kombinierer. Bei denen Parallelen zum Biathlon der Herren sichtbar worden, denn die Norweger waren das Maß der Dinge, allen voran Überflieger Jarl Magnus Riiber. Gegen den war kein Kraut gewachsen, auch die Altmeister, ob sie Eric Frenzel oder Akito Watabe heißen, kamen nicht mit. Vor allem auf der Schanze bewegte sich Riiber in einer anderen Liga, holte meist schon im Springen die entscheidenden Sekunden heraus, die er in der Loipe oft locker verteidigte. Dass der Nordische Skisport in diesem Winter aber insgesamt ein wenig unter dem Radar operierte, mag daran gelegen haben, dass es im Gegensatz zu den Biathleten keine WM gab. Im kommenden Winter gibt es dafür gleich zwei. Oberstdorf lädt zum Gipfeltreffen ein und am Saisonende wird nachgeholt, was in diesem Winter dem COVIN 19 Virus zum Opfer fiel: Die Skiflug-WM in Planica.

 

 

Der Überflieger in der Langlauf-Loipe

Aber auch im Skilanglauf gab es in dieser Saison einige Überraschungen. Der dominierende Norweger Johannes Hosflot Klaebo konnte seinen Gesamtweltcuptitel nicht verteidigen und verlor ihn an seinen direkten Konkurrenten, den Russen Alexander Bolshunov, der in der gesamten Saison immer stärker wurde und einige Titel einfahren konnte. Aber auch hier ist die norwegische Garde ziemlich erfolgreich, denn auf Platz 2-5 folgt dem russischen Langläufer ein starkes Aufgebot. Bei den Damen dominierte wieder einmal die Überfliegerin Therese Johaug, die auch den Gesamtweltcup für sich entschied. Allerdings hatte sie mit Natalia Nepryaeva, Platz drei im Gesamtclassement, in dieser Saison nur eine starke russische Kontrahentin. Denn für Aufsehen sorgte die Empfehlung des russischen Trainerstabs, die Damen im Team sollen in dieser Saison, ohne nennenswerte Championate, ihre Schwangerschaft planen. Es wird also im nächsten Winter spannend, wenn bei der Nordic WM in Oberstodrf die Titel ausgetragen werden.

Alexander Bolshunov gewinnt den Gesamtweltcup Langlauf! Foto: Rolf Zetterberg

 

Gemeinsam mit den Biathlon-Welttitelkämpfen in Pokljuka und der Vierschanzentournee klingt das nach einem Winter voller Höhepunkte. Nur „Allez les bleus gegen Familie Boe“ wird es dann nur noch in abgespeckter Form geben. Martin Fourcade nämlich hängt Waffe und Ski an den berühmten Nagel. Merci Martin!

Fotos: K. Voigt Fotografie

Merci Martin!
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