Die Saison ist rum!

Die Saison ist rum! Diese oder inhaltlich ähnliche Ansagen gibt es eigentlich jedes Jahr im März als Überschrift über irgendeinem Blog, einem Zeitungsartikel oder einer Aussendung. Allerdings noch nie so zeitig im Jahr. Und das Wort „Seuchensaison“ dürfte im Sprachgebrauch des Ski-Winters auch einigermaßen neu sein. Denn normalerweise bezeichnet man mit dem Begriff „Seuche“ im Sport eine Pechsträhne, Verletzungsmisere, schlechte äußere Einflüsse wie Rückenwind beim Skispringen oder Nebelschwaden bei Biathlon-Schießeinlagen. Handballer nennen eine überbordende Anzahl von Fehlwürfen oft „Seuche an der Pfote“. Wenn sich die halbe Eishockeymannschaft verletzt, dann hat das Team die „Seuche“ und spätestens nach seinem dritten Klops ist der betroffene Fußball-Torwart ein „Seuchenvogel“.

Dass nach diesem Winter der Begriff im Wortsinn eine Rolle spielen könnte, dass „Corona“ derzeit nicht nur weil es auf Spanisch so heißt, dem gesamten gesellschaftlichen Leben „die Krone“ aufsetzt, den Sportbetrieb weltweit zum Erliegen brachte, das ist ebenso neu wie schlimm. Denn die Welt des Sports ganz allgemein und die des Wintersports im Speziellen wird in ihren Grundfesten erschüttert. Weil die Folgen unabsehbar sind, personell wie wirtschaftlich. Veranstaltungen vor leeren Rängen sind so ziemlich das Schlimmste, was Gastgebern wiederfahren kann. In Nove Mesto bilanzierten die Tschechen ein Millionen-Minus beim Biathlon-Weltcup. Die Skiflug-WM, inzwischen komplett abgesagt, meldete schon unmittelbar nach Bekanntgabe der Zuschauersperre Mindereinnahmen von rund 700.000 Euro, allein durch fehlende Ticket-Erlöse. Oslo, Lillehammer, Trondheim oder das finnische Kontiolahti dürften über ähnliche Schäden klagen. Betroffen sind aber auch Verbände: Wenn die Langlaufnationalmannschaften zum Weltcup nach Quebec reisen, dort ein paar Tage in der Warteschleife kreisen um anschließend unverrichteter Dinge und ohne Wettkampf, zudem mit neuen Tickets den Heimflug anzutreten, reißt das ein Loch ins Budget. Wenn fest gebuchte Trainingslager ausfallen, Fernsehgelder nicht fließen, Werbepartner ihre Leistungen kürzen oder mangels eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten ganz einfrieren, wird es irgendwann eng. Für die Sportler und für den Sport. Denn das fragile Beziehungsgefüge gerät in seinen Grundfesten ins Wanken. Zumindest in einem Punkt sind die Wintersportler jetzt erst einmal im sicheren Hafen: Die Saison ist – wenn auch vorzeitig – rum, weitere Schäden sind zunächst deshalb begrenzbar, weil der Wettkampfbetrieb ruht. Und irgendwann, so hoffen zumindest alle, wird der Höhepunkt der Seuche in Europa überschritten sein, das normale Leben wieder Einzug in den Alltag der Menschen halten.

Leere Tribünen beim Biathlon Weltcup in Nove Mesto

 

Es ist aber davon auszugehen, dass speziell der Sport nicht so aus der Krise herauskommt, wie er in sie hineingerutscht ist. Denn schon vor Corona war es ein sehr spezieller Winter und die Schuld daran hatte das Wetter. Von „Winter“ zu sprechen war eigentlich ein Hohn. Die Skispringer begannen ihre Saison im frühlingshaften Wisla in Polen mit Temperaturen im zweistelligen Bereich, mal regnete es wie aus Kannen, mal blies der Wind, dann wieder gab es einen Föhneinbruch. Kurz und gut, wäre der Begriff nicht durch COVID 19 jetzt anders belegt, hätte man ob der miserablen äußeren Umstände von einem Seuchenwinter sprechen können. Und eben diese Ausgangslage führte dazu, dass selbst die Veranstalter, die mit viel Mühe die Durchführung ihrer Wettbewerbe retten konnten, anschließend häufig feststellen mussten, dass Aufwand und Nutzen eigentlich unter wirtschaftlichen Aspekten in keinem Verhältnis standen.

Und die Zukunft? Über die lässt sich nur spekulieren. Wichtig wird zunächst einmal sein, die Seuche tatsächlich in den Griff zu bekommen. Die Gesundheit steht über allem. Anschließend wird notwendig sein, die Schäden zu bilanzieren und Maßnahmen zu ergreifen, um zur Normalität zurückkehren zu können. Auch im sportlichen Bereich und seinem Umfeld. Wann das sein wird, ist nicht absehbar. Aber die Hoffnung bleibt, dass im November über irgendeinem Blog, einem Zeitungsartikel, einer Aussendung stehen wird: Die Saison startet! Dann sind alle Gewinner.

 

Fotos: K.Voigt Fotografie

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