Winterauftakt bei den Skispringern

Jetzt beginnt er also richtig, der neue Skiwinter. Denn in Wisla in Polen durften die Skispringer zum ersten Mal ran und rein in den Schnee. Naja, theoretisch zumindest. Denn Schnee ist genau das, was fehlte beim Weltcupauftakt der Schanzenartisten. Temperaturen im zweistellen Plusbereich tagsüber, dazu auch frostfreie Nächte – das Wetter trieb den Organisatoren ebenso die Schweißperlen auf die Stirn, wie die Frage, ob man für den Weltcup trotz der Witterung vernünftige Konditionen anbieten kann.

Es war damit zu rechnen, dass die Gastgeber das irgendwie stemmen werden. Die Anlaufspur gibt es in Wisla inzwischen witterungsunabhängig, was bleibt, ist die Präparation des Aufsprung-Hangs. Und wenn es in der reichlich 400 Meter hohen Stadt, die ihren Namen vom Fluß Weichsel hat, der ganz in der Nähe entspringt, eben keinen Schnee gibt, dann kann man in unmittelbarer Nähe nachschauen, denn die Schlesischen Beskiden bieten Gipfel bis zu 1.200 Metern Höhe. Oder man weicht in die Hohe Tatra aus, und karrt die weiße Pracht von dort heran. Was allerdings zur Kardinalfrage führt und die kann im Zeitalter der verstärkten Hinwendung zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit nur lauten: Muss das sein?

Die einfachste Antwort lautet: Natürlich nicht! Aber ganz so einfach ist die Gemengelage eben nicht. Denn sowohl die Gastgeber, als auch die Veranstalter haben sich bei ihren Überlegungen, den Weltcupauftakt nach Mitteleuropa zu holen, etwas dabei gedacht. Skispringen ist das Premium-Produkt im Nordischen Bereich, den Focus der Öffentlichkeit gleich zum Saisonstart auf die Disziplin Nummer 1 zu legen, erscheint logisch. Und eine Woche später – in der finnischen Nacht von Ruka beziehungsweise Kuusamo – fehlen Atmosphäre und Fans, ist das Springen zudem traditionell auch nicht sicher, weil die Polarwinde im hohen Norden des Kontinents nicht nur den Polarfüchsen unangenehm um die Nase wehen, sondern eben auch den Skispringern, die auf der großen Schanze schon öfter Verschiebungen oder gar Ausfälle der Wettbewerbe hinnehmen mussten. Grundsätzlich aber bleibt die Antwort auf die Frage: Wie umgehen mit dem sich wandelnden Klima? Und es bleibt die Erkenntnis, dass es einfache Lösungen für das Problem nicht gibt, zumindest nicht in Zentraleuropa. Was aber auch bleibt, ist die Hoffnung, dass es kälter wird in den nächsten Wochen und dann in Neustadt-Titisee oder Klingenthal ohne überbordenden Aufwand schöne Wettbewerbe stattfinden können.

 

 

JUBILARE

Neben den Wettkämpfen und den speziellen Wetterbedingungen, die bei vielen für Unmut sorgten, gab es aber auch spannende Geschichten am Rande des Weltcup-Geschehens.

Walter Hofer war sichtlich gerührt, als er beim offiziellen Empfang im Rahmen des Skisprung-Weltcups in Wisla nach vorn gebeten wurde. Zwar verstand der Österreicher nur bruchstückhaft, was ihm seine Laudatoren in sprudelndem Polnisch zu sagen hatten, der Anlass war aber klar: Hofer startete in Wisla in seine letzte Weltcupsaison als Koordinator des Weltverbandes FIS. Und im Herbst seiner Karriere als Skisprung-Funktionär häufen sich die Ehrungen. In Polen bekam der 64-jährige einen geschnitzten Schneestern geschenkt. Klingt zunächst mal nicht sonderlich ideenreich, doch das Holz, aus dem der Schneekristall – Durchmesser rund 25 Zentimeter – geschnitzt wurde, ist stolze 6.600 Jahre alt. Hofer wurde der Applaus der versammelten Skisprung-Prominenz zuteil und Österreichs einstiger Überflieger, Andreas Goldberger, inzwischen für den ORF als Experte, Vorflieger und Co-Kommentator am Start, witzelte, nach Ende der Saison werde Hofer wohl mehr Pokale eingeheimst haben, als er selbst zu seinen Glanzzeiten. Der FIS-Skisprungdirektor aus Kärnten war in Polen aber nicht der einzige Jubilar aus der Alpenrepublik, der zum Saisonstart Grund zum Feiern hatte. Auch Michael Roscher wurde gehuldigt. Mit dem Namen Roscher können hierzulande wohl nur wenige etwas anfangen, in Österreich dagegen kennt ihn jedes Kind. Denn der 46-jährige ist Fernsehkommentator des ORF und seit 2001 an den Schanzen der Welt dabei. Olympische Spiele, Weltmeisterschaften, Vierschanzentournee, Weltcups –  Roscher hat so ziemlich alle Höhen und Tiefen der rot-weiß-roten Adler aus der Alpenrepublik als Fernsehkommentator begleitet, stimmgewaltig, kritisch, aber nie verletzend, emotional, mitfiebernd, immer auf der Höhe, immer mit dem Schuss Humor, den sie in Wien „Schmäh“ nennen. Seine Wortgewalt verdankt der Mödlinger möglicherweise seinen journalistischen Anfängen als Radiomoderator. Inzwischen aber ist das Fernsehen Roschers Metier und in Wisla war es nun soweit. Es gab Blumen und Glückwünsche, denn der Weltcup-Auftakt in den Schlesischen Beskiden war der 500. Wettbewerb, den er für Österreichs Fernsehzuschauer kommentieren durfte. Dass ihm die Skispringer aus seinem Heimatland passend zum runden Jubiläum auch noch einen Weltcupsieg schenkten, ist fast schon unter der Rubrik „Kitsch“ abzulegen. Roscher kann übrigens mehr als nur Springen kommentieren. Darüber hinaus hört man ihn auch als Fußball, Tischtennis oder Reitreporter, aber seit nunmehr 15 Jahren gilt: Immer wenn es Winter wird, dann zieht es Roscher geradezu magisch an die Schanzen. Seit einigen Jahren mit Andreas Goldberger an seiner Seite, Michi und Goldi bilden seither das ORF-Skisprung Dreamteam. Wobei die Österreicher als einzige Nation mit Goldberger einen fliegenden Reporter am Start haben. Und worauf freut sich Michael Roscher am Beginn einer Saison ohne Weltmeisterschaften und Olympische Spiele? Natürlich auf die Vierschanzentournee und das Skifliegen in Planica – diese WM gibt es ja doch. 30 Einzelwettbewerbe und sechs Teamspringen sind es in diesem Winter, nur in Willingen wird die Skisprungstimme des ORF nicht dabei sein. Da sind Schulferien und da gehört der Fernsehmann seinen Kindern.

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