Alles neu oder alles wie immer? Spätestens als im August die Skispringer im polnischen Wisla Station machten, zu einem Wettkampf, der normalerweise unter dem Namen „Sommer-Grand-Prix“ firmiert, durften sich die Beobachter die Frage mit einem konsequenten „Sowohl als auch“ beantworten.
Gut wie immer waren die Gastgeber, auch die Sprünge selbst sahen nicht anders aus als in den Jahren zuvor. Und doch war alles irgendwie komisch. Weil die Fans fast völlig fehlten, weil Abstände eingehalten, Masken getragen werden mussten, weil man Fotografen und schreibende Journalisten mit der Lupe suchen musste und weil ein großer Teil der weltbesten Springer die Reise in die schlesischen Beskiden gar nicht erst angetreten hatte. Schließlich war das Wochenende im August die einzige Vergleichsmöglichkeit, statt Sommer-Grand-Prix gab es diesen einen Wettkampf und sonst nichts. COVID 19 hatte den Sport beeinflusst.
Ein Vierteljahr später waren dann wenigstens alle Springer da, denn Wisla ist seit geraumer Zeit die erste Station des Weltcup-Winters. Aber ansonsten musste man konstatieren: Die Bedingungen waren eher noch schlechter geworden. Denn die Pandemie-Situation in Europa hatte sich im Vergleich zum Sommer zugespitzt, einige Länder Lockdowns verhängt, fast alle die Kontaktmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Sport. Denn nun waren gar keine Zuschauer vor Ort. Oder? Als am Samstag zur Mannschaftskonkurrenz geblasen wurde, stand zwar kein Besucher im riesigen Schanzenareal. Leere Tribünen, ein leeres Stadion – Tristesse pur. Doch als der erste polnische Springer im Mannschaftswettbewerb auf den Balken kletterte, um sich auf seinen Sprung vorzubereiten, da wurde es plötzlich laut. Trommeln waren zu hören, Tröten, Jubelschreie, Anfeuerungsrufe. Und während einige Fernsehzuschauer noch rätselten, ob die polnischen Gastgeber den Geräuschpegel via Lautsprecher einblenden würden – so wie das der eine oder andere Fernsehsender beim Fußball versucht – da beantworteten ein paar Kameraeinstellungen die Frage nach der Ursache des Lärms. Denn urplötzlich waren aus dem Wald rund um die Schanze einige Fans herausgetreten, geschmückt mit Fahnen und Schals in den polnischen Nationalfarben. Und die feuerten ihre Jungs an. Das Prozedere wiederholte sich im ersten Durchgang immer dann, wenn ein Athlet des Gastgeberlandes aufgerufen wurde. Besonders heftig bejubelt wurden Vierschanzentourneesieger David Kubacki und der Liebling der Nation, Kamil Stoch. Auch am Sonntag, als die Einzelkonkurrenz gestartet wurde, konnte man den spontanen Jubel am Rande der Schanze wieder erleben.
Möglicherweise waren diese Aktionen nicht im Sinne der Behörden, denn sie konterkarierten das Bestreben nach möglichst wenig Kontakten. Aus Sicht der Springer und der Fans vor dem Fernseher aber vermittelte der Spontan-Applaus aber wenigstens für ein paar Momente das Gefühl, nicht bei einem Trainingsspringen zuzuschauen. Und erinnerte daran, wie wichtig die Fans für den Sport sind.