Eigentlich könnten einige Herren, manche von ihnen schon mit einem grauen Haaransatz, regelmässig ein Treffen der Erinnerungen abhalten und schwelgen in der Vergangenheit, als sie noch topfit waren und in der Lopie wie Irrwische durch die Wälder rasten, um dann am Schiessstand mit unglaublicher Präzision abzuräumen. Doch dazu ist auch jetzt, ein paar Jahre nach dem Ende ihrer Karriere, keine Zeit. Sie tragen Verantwortung und geben ihr Wissen der nächsten Generation weiter. Biathlon-Trainer. Es gibt wenig Wintersportarten, in denen so viele ehemalige Weltklasseathleten – dick vermummt jetzt – an der Stelle ihrer frühere Grosstaten stehen. In Antholz im Moment ganz nahe an den Tribünen: Ricco Gross. Nicht für Deutschland, das war mal. Vom Deutschen Ski-Verband (DSV) schied er im Groll. Der neunmalige Weltcupsieger und vierfache Staffel-Olympiasieger war zuletzt vier Jahre für einige russische Athleten, ehe er nach den Olympischen Spielen in Südkorea dem Ruf nach Österreich folgte. Das ist für ihn eher angenehm, weil er in Ruhpolding wohnt. Jetzt kann er vor allem im Sommer öfter zu Hause vorbeischauen.
Das ist schon eine sehr gute Konstellation für mich”,
sagt Gross, dem die Arbeit mit Simon Eder, Dominik Landertinger oder Julian Eberhard sehr viel Spass macht. Und die Jungs zahlen mit der einzig wahren Währung zurück, die zählt. Mit Erfolgen. Und mit Sympathiebezeugungen.
Er weiss als ehemaliger Athlet, was wir brauchen”,
meint Simon Eder.
Ein paar Plätze daneben residiert Mark Kirchner, der bei den Olympischen Spielen in Lillehammer sogar Fahnenträger der Deutschen Mannschaft war und in Norwegen mit der Staffel Gold gewann. Zwei Jahre zuvor stand er bei drei Wettbewerben dreimal auf dem Treppchen. Auch Kirchner ist ein wahrer Quell vieler Geschichten, weiss alles und gibt seine Erfahrungswerte in ruhiger und doch eindringlichen Art an seine Nachfolger weiter. Man erkennt ihn leicht im giftgrünen Anorak der deutschen Mannschaft. Kirchner ist mittlerweile aufgestiegen und als Cheftrainer veranwortlich für die sportlichen Belange der deutschen Biathlonmannschaft (Damen und Herren).
In immer noch ungewohntem Outfit präsentiert sich Michael Greis. USA prangt auf seiner Kleidung in grossen Lettern. Der dreimalige Olympiasieger von Turin 2006 ist noch immer so ein wenig auf der Suche nach dem perfekten Job nach dem Ende seiner Karriere 2012, die ihm auch 11 Weltcupsiege einbrachte. Zwei Jahre organisierte er das Nachwuchszentrum der Schweiz in Lenzerheide, ehe er seit dieser Saison die US-Männer betreut.
Das ist eine interessante aber nicht einfache Aufgabe”,
umschreibt Greis die neue Herausforderung. Lowell Bailey, Weltmeister in Hochfilzen 2017 und Tim Burke, WM-Zweiter in Nove Mesto 2013 haben Gewehr und Ski an den berühmten Nagel gehängt. Greis muss den Mangel verwalten und neue Kräfte heranführen. Für eine erste Stelle als Cheftrainer fast eine Herkulesaufgabe.
Nach den Olympischen Spielen in PyeongChang nahm das Trainerkarussell im Biathlon so viel Fahrt auf wie noch nie. Grenzen existierten plötzlich nicht mehr. Und so ist zum Beispiel Egli Gjelland aus Norwegen plötzlich Damentrainer in Tschechien. Gjelland stand 2002 zusammen mit Kinetixx-Botschafter Ole-Einar Björndalen gemeinsam in der Staffel, die Gold gewann. Sechs WM-Medaillen stehen ebenfalls auf seiner Erfolgsliste. Gjelland ist ein Beispiel von vielen. Patrick Oberegger aus Südtirol ging zu Norwegen, Patrick Favre aus Italien zu Frankreich. Armin Auchentaler aus Antholz steht bei den USA neben Michael Greis, der Franzose Siegfried Mazet betreut den Weltcupführenden Johannes Thingnes Boe und der Italiener Patrick Favre betreut dafür die Franzosen. Und für das deutsche Team arbeitet sogar ein Österreicher: Florian Steirer, der viele Jahre am Skigymnasium in Stams tätig war, steht an der Seite von Damentrainer Chrisitan Mehringer.
Sprachlich ist das natürlich kein Problem. Joe Obererlacher aus Obertillach hat es da bedeutend schwerer. Er wurde auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2022 in Peking von China verpflichtet. Neben Kommunikationsproblemen muss sich der erfahrende Coach (betreute auch schon Kaisa Mäkäräinen aus Finnland) mit den besonderen Umständen in China ausienandersetzten.
Die Athleten dürfen ihre Waffen nicht nach Hause nehmen”,
erzählt er. Das ist dann vor allem organisatorisch ein Problem. Jede Muniton wird gezählt.
Es ist nicht einfach”;
gibt er zu. Aber wenn dann seine beste Athletin, Jialin Tang, wie in Oberhof und Ruhpolding in die Punkteränge läuft, fühlt er sich entlohnt für all die Mühen. Nur eines hat er mir gebeichtet, hätte er bei der Vertragsunterzeichnung anders machen sollen.
Ich hätte auf Business-Flüge bestehen sollen.”
Ähnlich ergeht es übrigens seinem Kollegen Ubaldo Prucker. Der Italiener betreut Japan.
Für uns alle ist diese internationale Mischung ein Segen. Wir haben für fast alle Mannschaften kompetente Ansprechpartner und können neben aktuellen Informationen auch hin und wieder in Erinnerungen schwelgen.
Foto: Trainer Joe Obererlacher am Schießstand in Hochfilzen