Sigi Heinrich-Blog: Olympia-Opfer

Einmal in vier Jahren. Eine Chance, vielleicht zwei, um in die olympische Geschichte einzugehen. Anonyme Umfragen unter Sportlern haben zum Teil bedenkliche Resultate gebracht. Um eine Goldmedaille zu gewinnen sind mehr als man ahnen möchte viele sogar bereit, ihre Gesundheit zu opfern, denn  jeder weiss: Nur mit der absoluten Krönung der sportlichen Karriere ist ein Auskommen auch nach deren Ende möglich, vielfach sogar gesichert. Und Gold muss es sein. Gold. Frank Wörndl wurde 1988 Zweiter im Slalom hinter Alberto Tomba. Geschlagen nur um sechs Hundertstel Sekunden. Schon der Zweite ist der erste Verlierer.

Mein Leben wäre anders verlaufen, hätte ich gewonnen“

,sagte er mir später mal.

Der gewaltige, natürlich vor allem selbst auferlegte Druck ist die grösste Herausforderung und fordert deshalb auch Opfer. Hinterher, nach vollbrachter Heldentat. Zwei Skispringer fliegen derzeit hinterher, die in PyeonChang dominierten: Der deutsche Sonnyboy Andreas  Wellinger und Kinetixx-Star Kamil Stoch aus Polen. Dem Jubel um den Sieg folgt den Wintersportlern ein Sommer, der ungewohnt ist mit vielen Terminen ausserhalb der sportlichen Vorbereitung auf den nächsten Winter. In der Zeit nach den Spielen muss die Ernte eingefahren werden, weshalb oft in der Saison darauf die Frische fehlt, vielleicht auch die nötige Motivation. Durchatmen heißt das Motto, denn den wichtigsten Wettkampf im Leben hat man schliesslich optimal beendet. Wellinger mit Gold von der Normalschanze, Stoch mit Gold von der Grossschanze. Beide werden wieder an ihre Glanzleistungen herankommen. Das derzeitige Leistungstief ist eher normal.

Zwei Biathleten machen eine ähnliche Erfahrung. Laura Dahlmeier und Martin Fourcade. Der französische  Kinetixx-Ausnahmeathlet muss nach seinen grossen Siegen in Südkorea in diesem Jahr im Weltcup erkennen, dass er nicht mehr der unangefochtene Souverän ist. Auch er hatte seine ganze Kraft in die olympischen Wettbewerbe gelegt und zahlt jetzt ein wenig den Preis dafür, denn auch sein Körper muss den vielfältigen Strapazen Tribut zahlen. Und noch viel mehr trifft das auf Deutschlands Biathlon-Liebling Laura Dahlmeier zu, die sich bereits bei den Weltmeisterschaften 2017 in Hochfilzen zweimal von totalen Erschöpfungszuständen erholen musste. Ihr Focus gilt ja schon seit ihrer Kinderzeit den Olympischen Spielen. In ihrem Poesiealbum steht als grösster Wunsch: Olympiasiegerin werden. Zweimal ist ihr das gelungen. Der gesundheitliche Einbruch, der ihr jetzt zu schaffen macht, hängt auch mit der totalen Konzentration auf das Grossereignis des letzten Jahres zusammen. Auch wenn sich Dahlmeier bei ihrer Trekkingtour in Georgien so gut wie möglich abseits vom hektischen Sommergetriebe mit den vielen Empfängen gehalten hat, so konnte sie sich letztlich doch nicht allem entziehen. Ihr empfindlicher Organismus steckt selbst kleinste Abweichungen nicht mehr weg. Auch deshalb fehlt sie derzeit. Dennoch muss man sich vermutlich weder bei Dahlmeier noch bei Fourcade grössere Sorgen machen. Sie werden auch in Zukunft wieder ihre Klasse demonstrieren können. Nur die Pausen dazwischen werden vermutlich immer grösser werden.

 

Foto: Matthias Schrader

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